
Nachdem ich mich in den letzten Jahren eher auf den kürzeren Distanzen versucht habe, sollte es mich erstmals seit Oktober 2022 (Ironman Hawaii) auf die klassische Triathlon-Distanz gehen.
Zum dritten Mal habe ich mir dafür den Ironman Hamburg ausgesucht. Damit sehe ich zwar wenig Neues, aber es ist nah an zu Hause und noch näher an der Heimat. Damit ist mit großartiger Unterstützung und motivierenden Vibes an der Strecke zu rechnen. Ein Besuch beziehungsweise zwei Übernachtungen im Elternhaus in Lübeck runden den Ausflug ab.
Der Termin ist mit dem 1. Juni denkbar früh. Kühles Wetter mit noch kühlerem Wasser ist da nicht unwahrscheinlich. Die Streckenführung unterscheidet sich beim Radfahren und Laufen ein wenig von den Editionen aus 2018 und 2021, den Jahren, in denen ich bereits am Start war. Flach ist die Strecke aber nach wie vor und, wenn das Wetter halbwegs mitspielt, würde es auch wieder ziemlich schnell werden. Angemeldet habe ich mich bereits 8 Monate vor dem Renntermin, da bei einer frühen Anmeldung die Option auf Startplatzverschiebung auf ein anderes Rennen oder das Folgejahr besteht. Dass ich davon keinen Gebrauch machen musste und es gesund und motiviert an die Startlinie geschafft habe, ist schonmal die halbe Miete.
Vorbereitung

Die Zeit nach der Anmeldung bis zum Rennen verging wie im Flug, auch wenn die Zeit durchaus ereignisreich und mit dem einen oder anderen Abenteuer gespickt war. Wie so oft war der Vorsatz anfangs, Spaß zu haben und wie immer hab ich mich dann im Training doch so sehr reingesteigert, dass die Form ganz ordentlich wurde und ich doch etwas aufgeregt war. Das Trainingsvolumen der letzten 4 Wochen vor der Wettkampfwoche: 21:15h, 20:18h, 20:24h, 20:02h. In diesen vier Wochen habe ich an Strecke 72,5 km im Wasser, 1106 km auf dem Rad und 249,3 km beim Laufen gemacht. Dazu kamen noch 4:39h Kräftigung und Dehnung. Immer mal wieder waren intensive und wettkampfspezifische Einheiten dabei. Die große Schlüsseleinheit, ein wahrer Klassiker an einem verdammt windigen Tag: 3x1h auf dem Zeitfahrrad und eine Stunde Laufen hintendrauf, alles eine Idee flotter als das angestrebte Wettkampftempo. Das angestrebte Wettkampftempo, was war das? Etwa so wie 2021 hatte ich eine Zielzeit von unter 4:40h für die etwa 180 km anvisiert, und für den Lauf "musste" wieder mindestens ein Schnitt von 4:00 min/km drin sein. Die Trainingsresultate stimmten mich zuversichtlich.
Die Schwimmform hat hingegen leider trotz einiger Wochen mit 20 Schwimmkilometern nicht mehr annähernd das Niveau der letzten Jahre erreicht. Warum, weiß ich nicht mit Sicherheit. Eine Schlüsseleinheit mit 3x1000m unter 16:30 ließ mich aber immerhin auf eine Zeit um die 62 Minuten für die 3,8 km hoffen. Das große Ziel war, wie es bei den anderen beiden Teilnahmen auch geklappt hat, das Podium innerhalb meiner Altersklasse zu erreichen.
Der Wettkampftag

Die Wetterprognosen änderten kurz vorm Wettertag praktisch stündlich und noch am Wettkampfmorgen lagen viele Augen angespannt auf diversen Wetter-Apps. Der 1. Juni kam und ein übles Unwetter näherte sich Hamburg. Eine Weile war völlig unklar, wann, wie und ob das Rennen überhaupt durchgeführt werden kann. Als das Unwetter dann über Hamburg hinweg zog, befand ich mich mit vielen anderen Startern im unterirdischen Bahnhof des Jungfernstiegs. Die Nachricht kam: Der Start wird um 40 Minuten auf 7:10 Uhr (für die Amateure, 10 Minuten nach den Profis) verlegt. Die Wechselzone öffnet erst um 6:30 Uhr. Hektik, Durcheinander und zu lange Schlangen an den Dixis, aber immerhin konnte die Veranstaltung in seiner angedachten Form durchgeführt werden. Irgendwie schaff ich es dann auch an die Startlinie, an einer Position beim "Rolling Start", die ich mir auch ungefähr vorgestellt hab, allerdings, ohne mich vorher erleichtern zu können und ohne die Badekappe des Veranstalters, die mir im Durcheinander abhanden gekommen ist. Letzteres war okay, weil ich noch eine eigene bei mir hatte, die ich ohnehin unter der eigentlichen drunter ziehen wollte, um mich ein bisschen mehr vorm 17,9°C kalten Wasser zu schützen. Der andere Umstand beschäftigt mich gedanklich während des ganzen Schwimmens. Hinzu kühle ich mit zunehmender Dauer mehr und mehr aus. Normalerweise ist Renneinteilung nicht mein größtes Problem, aber sobald auch der Neo nicht mehr hilft und ich auskühle, werde ich auf dem letzten Schwimmkilometer noch ordentlich durchgereicht. Ich benötigte mit 67:08 über 8 Minuten länger für das Schwimmen als vor vier Jahren an gleicher Stelle. Mehr noch: Es war das mit Abstand langsamste Schwimmen, das ich in all meinen Langdistanzen jemals hatte. In meiner Altersklasse hieß das erstmal Platz 47. Verbessern konnte ich die Position beim ersten Wechsel leider nicht, denn erstmal stand eine nicht enden wollende Toilettenpause, in der die halbe Alster, gefiltert durch meine Nieren, meinen Körper wieder verließ. Mit dem über 500 Meter langen Laufweg und völliger Verwirrung beim Zurückhängen des Wechselbeutels macht das alles in allem etwa 7 Minuten. Somit steig ich nach sage und schreibe nach einer Stunde, vierzehn Minuten und ein paar zerquetschten als 55. aufs Rad. Wirklich nicht der Start ins Rennen, den ich mir ausgemalt hab.

Die diesjährige Radstrecke beginnt erstmals mit einer 14 km langen Schleife in Richtung Westen, bevor es dann Richtung Elbdeich geht und, ganz grob gesagt, in einer großen Schleife über Bergedorf
wieder zurück in die Hamburger City führt. Das Ganze zwei Mal, eine äußerst flache Strecke. Der Wind ist durchaus erträglich und trocken bleibt es während der ganzen Radfahrt - was ein
Glück!
Noch bevor ich den Deich erreiche, holt mich Peti, ein alter Bekannter aus dem hohen Norden ein. Wir schnacken kurz und bleiben erstmal zusammen. Insgesamt sind die ersten 40 km ein wenig zäh,
was wohl am mäßigen Wind liegt, der stetig von vorn weht. Diese Vermutung bestätigt sind, denn, um es vorweg zu nehmen, die nächsten 80 km lege ich in unter 2 Stunden zurück.
Wie es auf flachen Radstrecken oft so ist, holen wir Leute ein, die dann Teil unseres Grüppchens werden. Darüber hinaus holen uns noch ein paar Mitstreiter von hinten ein, die dann auch Teil der Gruppe werden. Das alles geht so lange weiter, bis die Gruppe eine kritischen Größe erreicht hat, bei der sie zu gut funktioniert als das noch andere von hinten kommen können und diejenigen, die noch vor uns sind, zu stark, Teil anderer Grüppchen sind oder einfach von Anfang an zu weit weg waren. Wie immer gilt ein Netto-Abstand (also die Lücke zwischen zwei Athleten) von mindestens 10 Metern. Wie kann man das als Athlet (oder Kampfrichter) selber präzise kontrollieren? Leider gar nicht, aber dazu gleich noch mehr.
Fortan gibt es immer wieder Separationen unserer Gruppe, die zu einem gewissen Zeitpunkt bis zu 30 Athleten(!) zählte (von ganz hinten habe ich das an einer Stelle tatsächlich vor einer gut einsehbaren Kurve abzählen können). Aufmerksam bleiben ist die Devise und immer, wenn ein paar Plätze vor mir eine Lücke aufgeht, überholen und die Lücke schließen. Mit dem Rückenwind und der Ersparnis, die auch der legale Abstand innerhalb einer Gruppe noch bietet, bekomme ich zwischendurch sogar einen 40-km-Rekord (nach GPS-Messung 57:37) hin. Meine alte Bestmarke habe ich vor Jahren beim Vierlanden-Triathlon erreicht, wenige Sekunden langsamer, und die Strecke war witzigerweise auch Teil des heutigen Kurses. In der zweiten Runde am Deich sind wir dann irgendwann nur noch zu viert. Von Peti musste ich mich schon in der ersten Runde verabschieden, und dann ist es passiert: Ich fahre zu dicht auf, kassiere eine Zeitstrafe. Ich frage den Kampfrichter, wo das nächste Penalty-Tent (der Ort auf der Strecke, an dem man die 3 Minuten absitzen muss) sei. Er sagt, er wisse es nicht. Naja, 20 km später kommt es dann und ich gönne mir die Zwangspause. Die Blase drückt, aber pinkeln darf man während der Strafzeit nicht. Die 3 Minuten tun also doppelt weh. Kurz nachdem ich mich wieder in Bewegung setzen darf, gibt es ein Wiedersehen mit Peti. Die letzten Kilometer behalte ich Sichtkontakt, bin mit dem Abstand noch ein wenig vorsichtiger als zuvor und schiebe mein Rad nach 4:39:59 (Punktlandung) Fahrzeit in die Wechselzone. Inoffiziell ist es sogar mein bis dato schnellster Bike-Split, da diese Strecke einen guten Kilometer länger als die von 2021 und als die der Challenge Roth (2022) ist. Eine kleine Anmerkung: Es sind selten die ausgeschriebenen 180,2 km, meistens ist es "etwas" weniger. Meine Datenaufzeichnung befindet sich am Ende dieses Artikels. Innerhalb meiner Altersklasse liege ich nun auf dem 24. Rang.

In der zweiten Wechselzone ist wieder viel Wasser den Rhein hinuntergeflossen... und es will auch einfach nicht aufhören. Der zweite Wechsel läuft... und läuft, aber nicht viel besser als der erste. Immerhin behalte ich meine Position im Feld und gehe nach weiteren 5:05 Minuten und insgesamt 5:59 Stunden Renndauer auf die Laufstrecke.
Als nächstes freue ich mich über viele bekannte Gesichter am Streckenrand, die mich unter anderem mit Infos aus dem Tracker versorgen. Danke euch!! Die ersten Infos sind allerdings etwas ernüchternd, da ich doch eigentlich mit dem Podium als Ziel angereist bin. Den ersten Kilometer laufe ich traditionell etwas zu schnell, danach finde ich meinen Rhythmus und laufe die weiteren Kilometer erstmal konstant knapp unter 4 Minuten. Da ich auf dem Rad so gut wie kein Wasser getrunken habe sondern aufgrund des Harndrangs praktisch nur auf mein dickflüssiges Kohlenhydrate-Konzentrat zurückgegriffen hab, beschwert sich mein Magen etwas. Noch auf der erste Runde bekomme ich leichte Seitenstiche, jedoch löst sich dann alles durch ein paar Schluck Wasser und Cola und ich kann allmählich unbeschwert weiterlaufen. Einige Zurufe gehen in die Richtung, dass ich einer der schnellsten Läufer im gesamten Feld sei. Das macht Mut, jedoch ist der Abstand auf die vorderen Plätze viel zu groß und wird auch nicht allzu schnell kleiner, denn trödeln tun die anderen ja auch nicht. Ende der zweiten Runde höre ich, dass es noch Richtung Top 10 gehen könne. Immerhin... Tatsächlich bin ich nach der Hälfte der Laufstrecke, also nach 2 von 4 Runden in den Top 10 und habe bisher nur 1:21:18 fürs Laufen gebraucht. Der führende der Altersklasse ist noch ein wenig schneller, auf alle anderen mach ich aber etwas Zeit gut. Allerdings schwinden auch langsam meine Kräfte. In Runde drei kommt für etwa 15 Minuten ein extremer Schauer. Es kommt weit mehr herunter als dass das Wasser wieder abfließen kann. Dementsprechend steht die Straße bald überall etwa mindestens einen Zentimeter unter Wasser, einige Pfützen sind fast knöcheltief. Ein paar Meter vor mir fällt ein dicker Ast auf die Straße, glücklicherweise stand dort keiner... glücklicherweise war ich gerade nicht direkt an der Stelle. Hoffentlich wird das Rennen jetzt nicht abgebrochen. Meine dritte Runde ist mit 42 Minuten schon etwas langsamer, dennoch bin ich nun schon auf Platz 7. Der Regen versiegt, das Wasser fließt ab und die vierte Laufrunde ist praktisch wieder ganz normal. Zumindest, was das Wetter angeht, denn meine Beine haben sich auch schonmal besser angefühlt. Gegen Ende der letzten Runde höre ich von den Zuschauern, dass Platz 7 wohl sicher sei, die Abstände nach vorn und hinten seien komfortabel. Für die letzte Runde benötige ich knapp 46 Minuten. Da es aber alles andere als ungewöhnlich ist, dass man zum Ende eines Ironmans doch ein wenig zu kämpfen hat, reicht es dann auch für Platz 7 im Ziel. Das Ganze nach einem Laufsplit von 2:49:13 und einer Gesamtzeit von 8:48:39.
Rück- und Ausblick

That's Ironman... Das Ergebnis reicht zwar locker für die WM-Qualifikation, den Slot wollte ich aber nur bei einer Podiumsplatzierung annehmen. Stattdessen gibt es am nächsten Morgen ein entspanntes Frühstück mit meinen Eltern. Zu guter Letzt möchte ich mich bei meinen zahlreichen Freunden, Bekannten und Unterstützern an der Strecke bedanken!! Ich bitte herzlich um Entschuldigung, wenn ich auf die zahlreichen Komplimente zu meinem Aussehen manchmal pampig mit "Infos aus dem Tracker?!" geantwortet hab. Eigentlich hab ich mich ja auch darüber sehr gefreut, und: Ihr saht auch alle fantastisch aus!! Auch natürlich danke an alle, die das Spektakel von zu Hause mitverfolgt haben, auch an alle Helfer und die anderen Zuschauer. Sportlich war es für mich zwar weit weg vom "perfekten Tag" aber immer noch okay und einmal mehr war es ein großartiges Abenteuer! Danke!
Die Lust ist mir auch hinterher keineswegs abhanden gekommen. Kurz nach dem Ironman hab ich das Training wieder aufgenommen und blicke mit großer Vorfreude auf die vielen Wettkämpfe voraus, die diese Saison noch anstehen.
Hier noch meine Wettkampf-Aufzeichnung und hier die Ergebnisliste
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