Mein 10. Marathon (sofern man den beim Ostseeman mitzählt) sollte also in Frankfurt stattfinden. Die letzten Jahre habe ich den Marathon immer begeistert im
Fernsehen mitverfolgt. Den Beinahe-Weltrekord von Wilson Kipsang 2011, das Kälterennen 2012, das Rennen im Sturm 2013 und jedes Mal der Zieleinlauf in der Festhalle. Letzteres ist auch einer von
vielen Gründen, warum es diesmal Frankfurt sein sollte. Als Gastgeber bat mir ein alter Schulfreund Gesellschaft, seelische Unterstützung und einen Schlafplatz in einem Frankfurter Vorort. An
dieser Stelle noch einmal vielen Dank!
Nach einer Nacht, die eine Stunde länger war als gewöhnlich, geht es von Rodgau in die Frankfurter City zum Start. Im Hinterkopf hab ich das Ziel, eine Zeit um 2:44 h zu laufen. Seit dem Ostseeman Anfang August habe ich dafür bereits über 900 km zurückgelegt. Um 20 Minuten vor 10 sortiere ich mich ins Starterfeld ein. Es ist bereits proppenvoll und ich muss mir zugegebener Maßen nicht zum ersten Mal eingestehen zu spät angekommen zu sein, um mir einen gescheiten Platz zu ergattern. Im Idealfall entspricht die Startposition in etwa der Endposition, davon war ich weit entfernt. Wie auch immer: Dadurch lass ich mir nicht die Stimmung verhageln und warte eingepfercht zwischen über 10.000 Mitstreitern auf den Start.
Um 10 Uhr ertönt der Startschuss und das Feld setzt sich in Bewegung. Die ersten Kilometer muss ich viel Slalom laufen, da ich mich ja wie gesagt ungeschickt einsortiert habe, aber irgendwann wird es etwas lichter und ich finde mein eigenes Tempo. Es werden ein paar Schleifen im Zentrum der Bankenmetropole zwischen mächtigen Wolkenkratzern gedreht. Beeindruckende Kulisse. Nach 5 Kilometern geht's mir noch gut und ich überquere die erste Zeitmessmatte nach der Startlinie nach 19:38 min - nicht ganz im Zeitplan, aber in Anbetracht des holprigen Starts absolut im Rahmen, außerdem gibt es durchaus Schlimmeres als einen Marathon leicht zu langsam zu beginnen.
Recht schnell merke ich, dass sich dort wo ich laufe keine wirklich erkennbaren Gruppen bilden, ich aber auch nie allein war. Die Leistungsdichte in Frankfurt ist unglaublich hoch (ca. 8% der männlichen Finisher laufen unter 3h) und somit ist das Feld im Bereich von deutlich unter 4:00 min/km noch extrem dicht besiedelt. Nach 10 Kilometern steht die Uhr bei 39:07 min.
Stumpf hochgerechnet bin ich also auf einem 2:45 h-Kurs - so weit okay, aber schon sehr bald spür ich, dass meine Verdauung heute nicht so recht will. Was sich die letzten Wochen schon hier und da leicht angedeutet hat, ist nun bittere Realität und schon direkt nach der 10-km-Marke liebäugel ich mit den Dixis, die auf dem Kurs in regelmäßigen Abständen zu finden sind. Erstmal verkneif ich's mir, doch mit jeder Minute wächst das Unwohlsein. Nach 58:28 min überschreite ich die 15-Km-Matte, muss dann aber doch ein paar Meter später ein Dixi aufsuchen... Etwa 100 Sekunden später verlasse ich das Dixi wieder und sehe meine Tante, die in Frankfurt wohnt und zum Anfeuern an den Streckenrand gekommen ist. Einen dermaßen ungünstigen Moment kann man eigentlich nur mit Humor nehmen^^.
In der Folge versuche ich die Nerven zu behalten und meinen Rhythmus möglichst schnell wieder zu finden. Das fällt wirklich alles andere als einfach. Ich will mein ursprüngliches Ziel noch nicht abschreiben, aber dann dauert es doch nicht lange, da gestehe ich mir ein, dass ich körperlich einfach nicht bei 100% bin. Ob es leichte gesundheitliche Probleme, falsche Ernährung, das Bier am Vortag oder was auch immer war, sei mal da hin gestellt. Trotz der fast perfekten Wetterbedingungen wird mir auch zunehmend kälter. Die Halbmarathonmarke überquere ich nach 1:23:33 h. Der Traum von einer neuen Bestzeit ist endgültig erloschen. In dem Zustand eine schnellere zweite Hälfte laufen? Da muss man realistisch bleiben.
Um den Rest kurz zu halten: Ich kann auf der zweiten Hälfte das Tempo, das erst noch eine Weile bei 4:00 min/km bleibt nicht halten. Ein Einbruch, wie er sich zum Beispiel im Frühjahr in Hannover zutrug, bleibt mir allerdings auch erspart. Ich versuch stets konzentriert zu bleiben und bis wenige Kilometer vorm Ziel ist eine Zeit unter 2:50 h noch im Hinterkopf präsent. Aber irgendwann ist mir auch das nicht mehr wichtig und ich sehne mir nur noch den Moment herbei, in dem ich endlich aufhören kann zu laufen.
Nach 2:50:19 h überquere ich die Ziellinie (als 310. von 8945) in der Festhalle. Die Stimmung dort ist toll und das Ambiente einzigartig! ...aber zugegeben: Freude und Zufriedenheit fühlen sich anders an. Am Ende bin ich weit weg von meinem anfänglichen Ziel und nur unwesentlich schneller als in Hannover. Positives kann ich allerdings auch mitnehmen: Trotz aller Widrigkeiten bin ich noch recht gut durchgekommen. Außerdem ist die Strecke, das Ambiente in Frankfurt, die Masse an Zuschauern und die Leistungsdichte einfach kaum zu toppen.
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