Nach langer Zeit endlich gibt es den Anlass, das über 3 Jahre zusammengesparte Geld wieder zurück in den ewigen Kreis der Finanzwelt zu bringen: Die Ironman Weltmeisterschaft über die klassische Distanz im Triathlon: 3,86 km schwimmen im offenen Meer, 180,2 km alleine gegen den Wind (dazu später mehr) durch eine möglichst triste Landschaft radeln und, wenn man dann schon mal warm ist, noch ein Marathon als Absacker. 3 Jahre lang Öttinger statt Schampus und Wein aus Tetrapacks statt aus schnieken Glasflaschen oder gar Gläsern, aber so viel sei vorab verraten: Der Spaß hat sich gelohnt!
Nachdem ich mich Ende Juli am nahegelegenen Jungfernstieg in Hamburg qualifizieren konnte, darf ich dieses Mal eine etwas weitere Reise antreten, denn vor circa 40 Jahren kamen ein paar
Schnapsdrosseln auf die wahnwitzige Idee ein Multisportevent auf die Beine zu stellen, das möglichst weit weg von meinem jetzigen Wohnort ausgetragen werden sollte, so oder so ähnlich fiel die
Wahl dann auf Hawai'i. Danke dafür...
Da ich im Gegensatz zu den meisten Triathleten Geduld zu meinen Stärken (oder Schwächen?) zählen darf, fiebere ich allem voran bereits der etwa 28 stündigen Anreise entgegen. Begleitet von meiner
teuersten Yvi und meinem treuen Kumpanen Corni genieße ich die Reise, während meine Begleiter sie eher ertragen. Ich lese die kürzlich erschienene Bio meines Namensvetter sowie die aktuelle
Ausgabe der Triathlon, in der sogar meiner Wenigkeit ein Absatz mit Bild spendiert wurde (Vielen Dank!^^), vertreibe mir die restliche Zeit mit Filmen oder dem Blick aus dem Fenster, und die Zeit
über den Wolken vergeht - wie sollte es anders sein - wie im Fluge *Ba dum tss*.
Circa 19 Uhr Ortszeit (+/- 3 Stunden - Wer behält da noch den Überblick?) landen wir in Kailua-Kona, Big Island, Hawai'i, USA. Erstaunlich: Es ist deutlich wärmer als hier, da stört es auch nicht, dass es im Laufe des Abends noch anfängt wie aus Eimern zu gießen. Halbwegs unausgeschlafen geht es am ersten vollen Tag daran, die Schwimmstrecke zu erkunden. Da wir es leider verpeilt haben uns rechtzeitig bei der offiziellen "Schwimmstreckensichtung", dem Hoa'la Training Swim", anzumelden geht es 2 Stunden später außer Konkurrenz ins Wasser. Schon ist es um mich geschehen: Ich hab mich in diese Insel oder dieses Stück Pazifik verliebt: Klares Wasser, bunte Fische wohin das Auge blickt. Das Wasser ist für meinen Geschmack etwas versalzen, aber noch ist ja Zeit sich daran zu gewöhnen. Nach circa einem Kilometer hab ich schmerzhaften Körperkontakt mit einer Qualle (vermutlich einer portugiesischen Galeere), werde aber am Wendepunkt nach etwa 2 km mit dem Anblick eines kleinen Delfinschwarms belohnt - Ein Traum! Dass ich am Ende über 4 km auf der Uhr stehen habe, verrät mir: Bezüglich der Orientierung im Freiwasser ist noch Luft nach oben.
Am zweiten Tag schauen wir Simon zu, wie er beim Path Run ordentlich abmüllert und die gesamte teilweise sehr starke Konkurrenz über gut 10 km stehen lässt. Es vergeht auch nicht viel Zeit bis mir eines klar wird: Auf dieser Insel kommt man als Tourist definitiv auf seine Kosten - Ja, auch wenn es wirklich kein Schnäppchen ist! Wir besuchen das verschlafene Fischerdorf Hawi im Norden, wo sich am Wettkampftag der Wendepunkt der Radstrecke befindet. Auf dem Weg dorthin nehmen wir den beschaulichen Hapuna Beach und seine Wellen mit - Was für ein Spaß! An einem anderen Tag geht es Richtung Süden zum wunderschönen Green Sands Beach. Die letzten 5 km dorthin verlaufen über unbefestigte Wege, auf dem Hinweg zu Fuß, zurück auf der Ladefläche eines Pickups, der von einem Einheimischen gefahren wird, der sein Geld mit Hahnenkämpfen verdient (ein Erlebnis für sich, Nervenkitzel inklusive)! Nachdem wir dies (zumindest körperlich) unbeschadet überstehen, müssen wir noch einen drauf setzen und erspähen eine 12 Meter hohe Klippe am South Point. "Weißt du was verrückt wär? Da jetzt nicht runter zuspringen" - gesagt, getan. Zwei Drittel unseres Teams verlassen diesen Ort unbeschadet (Ich bin trotzdem oder gerade deshalb stolz auf dich! ; )). Weiter geht's zum Black Sands Beach (Strände scheint es dort in allen Farben zu geben), wo wir auch einer verschlafenen Riesenschildkröte und wilden Truthähnen begegnen, deren Schönheit wohl allein im Auge des Betrachters liegt. Ebenfalls eine Reise Wert: Der Gipfel des Mauna Kea, dem vom Fuße an gemessen höchstem Berg unseres Planeten! An dieser Stelle sei Jeff und seiner Frau, einem US-amerikanischen Ehepaar, gedankt, ohne die wir es nicht auf die Spitze geschafft hätten - Erst recht nicht pünktlich zum Sonnenuntergang. Thank you guys!
Auch zwei Tage vor dem Wettkampf ist noch keine Zeit für klassische Entspannung - Wer die wunderschönen Wasserfälle auf Big Island nicht besucht, der verpasst was. Atemberaubend! Aber nun doch noch ein paar Worte zum sportlichen Teil der ganzen Geschichte: Ich konnte die komplette Saison gut durchtrainieren, blieb durchgehend gesund und konnte somit die Trainingsvorgaben von meinem Coach zu 100% erfüllen - dafür bin ich sehr dankbar! So auch nach dem Quali-Rennen in Hamburg: Nachdem der August noch im Zeichen des Ausnüchterns, Erholens und Wiedereinstiegs stand, konnte ich im September bereits wieder beachtliche Umfänge abspulen (> 50 km im Wasser, > 1200 km auf dem Rad, > 200 km in den Laufschuhen). Als einzige fordernde Einheit in der Wettkampfwoche stand eine anderthalbstündige Radausfahrt in der Mittagshitze mit anschließendem Koppellauf statt. Hier wurde schon klar: Ohne Wind ist die Radstrecke höllisch schnell, denn 3 Bar auf den Reifen und 200 W auf den Pedalen reichen hier schon für über 36 kmh.
Der Wettkampftag beginnt relativ stressfrei um 4 Uhr mit Frühstück. Um 6:35, starten die männlichen Profis, 5 Minuten später die weiblichen, 7:05 Uhr starten die männlichen Amateure, fünf Minuten später dann auch die weiblichen. Ich stürze mich in den Pazifik, sehe dieses Mal keine Delfine, habe aber auch nicht wirklich den Blick dafür. Ich suche mir, wo immer es geht, kostbare Freiräume und überstehe das Schwimmen entgegen meiner Erwartung ohne verprügelt zu werden. Nach 26 Minuten erreiche ich das Boot, welches den Wendepunkt markiert (Na, das läuft ja gut!) - Dass der Rückweg aufgrund der Strömungsverhältnisse etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen soll, stellt sich dann aber als sehr wahr heraus. Nach gut 61 Minuten geht mein Körper wieder in die Vertikale - früher als erwartet - das stimmt einen doch optimistisch. Die Wechselzone und die Radstrecke befinden sich mittlerweile schon in der Rushhour. Wer denkt, er habe nach dem Schwimmen etwas mehr Platz sich frei zu bewegen, der irrt sich leider gewaltig!
Nach knapp 65 Minuten sitze/liege ich dann bereits auf meinem Rad, voll im Zeitplan, sogar noch etwas besser. Schon auf den ersten Kilometern werde ich hier und da überholt, wo es strikt verboten ist, werde wo anders sogar mehrmals von rechts überholt - grobe Regelverstöße, die eigentlich mit einer sofortigen Disqualifikation geahndet werden. Von der romantischen Vorstellung "alleine gegen den Wind" war dann auch mindestens bis Hawi, dem nördlichen Wendepunkt bei Kilometer 95, rein gar nichts zu sehen. Teilweise fahren die Kontrahenten in 3er und 4er-Reihen, die vorgeschriebenen 12 Meter Abstand zum Vordermann sind auch nicht zu erkennen. Beim Athlete's Briefing einige Tage zuvor wurde uns der Tipp gegeben, dass man die in die Straße eingelassenen Reflektoren zur Orientierung nutzen könne (diese liegen auf dem Highway nämlich genau in einem Abstand von 12 Metern von einander entfernt). Diese nutze ich dann also um mir das Spektakel ganz hinten in der "Gruppe" und irgendwann gefühlt ganz hinten im Feld besagte 12 Meter hinter dem "Vorletzten" anzusehen. Währenddessen verliere ich rund 150 Plätze (diese Zahl ist nicht ausgedacht!). Ganz ehrlich: Ich fühle mich als stünde ich im Stau, und ich werde kontinuierlich über die Rettungsgasse überholt. Aber genug davon. Nach Hawi bekomme ich dann doch nochmal die Möglichkeit hier und da meine Beine zu benutzen und halte ab dort meine Position in etwa. Nach weiteren 85 km steige ich vom Rad. Der gefürchtete Mumuku hat dieses Jahr verpennt, es ist nahezu windstill auf der kompletten Radstrecke. Dementsprechend bin ich mit meinen 36,6 kmh im hinteren Drittel meiner Altersklasse gelandet - verrückt! An diesem Tag fallen dadurch auch diverse Bestzeiten, inklusive den Streckenrekorden der Profimänner und -frauen. Nach gut 6 Stunden Rennzeit darf ich mein Rad einem Helfer in die Hände drücken und befinde mich nach 6:04 h bereits auf der Marathonstrecke.
Hier war ich nun also - noch 6 Minuten früher als in meiner optimistischsten Milchmädchenrechnung. Dementsprechend mehr Zeit bleibt, den Marathon nochmal etwas mehr zu "genießen". Die erste Hälfte ist nach gut 1:35 h gegessen. Danach wird es dann kontinuierlich langsamer, wobei auch noch das gefürchtete Energy Lab laufend bewältigt werden kann. Bei meiner euphorischen Renneinteilung werden die letzten 10 km traditionell wie zuletzt in Hamburg (und auch in Frankfurt) in martialischer Manier nicht mehr unter 50 Minuten gelaufen. Insbesondere eingangs der letzten 3 Kilometer signalisieren mir meine Beine, es wäre doch jetzt langsam mal etwas schön, einfach nur stehen zu bleiben. Aber das Ziel ist erst nach weiteren 16 Minuten erreicht. Lockeres genussvolles Einlaufen ins Ziel bekomme ich nicht mehr hin, eine coole Siegerpose schafft den Sprung aus der Gedankenwelt in die Realität leider auch nicht mehr, aber das ist okay! Hier bin ich - am Ziel eines kleines Traumes. Gestützt von 2 Helfern, vergesse ich leider sentimental zu werden, aber auch das ist okay! Ich bin zufrieden und... müde. Das Ziel - nicht nur eines Rennens, nicht nur einer Urlaubsreise, nicht nur einer Saison - sondern einer sehr viel längeren Reise ist an diesem Tag erreicht.
Die letzten beiden Tage lassen wir dann noch mit etwas Schnorcheln und Bier am Pier von Kailua ausklingen. Wir beobachten wie sich der beschauliche Ort vom Triathlon-Mekka in ein "normales" Touristenparadies zurück verwandelt, bevor wir die Rückreise antreten. Immer noch schön, wenn auch anders. Zu guter Letzt möchte ich mich herzlich bei allen, die mitgefiebert haben, bedanken, aber ganz besonders bei Simon, da du mich inspirierst und unterstützt wie kein zweiter, bei Cornelius, da du nicht nur in Hawaii sondern schon vor 2 Jahren in Kopenhagen dabei warst und dich auch um die Unterkunft nahe Kailua gekümmert hast, bei Tomek, da du mir deinen Radkoffer zur Verfügung gestellt hast und uns ohne Gegenleistung mitten in der Nacht zum Bahnhof gefahren hast, bei Daniel für deine Trainingspläne und dafür, dass ich im Training nie länger als 2 h laufen musste/durfte. Danke, Yvonne, für einen schönen, leider sehr kurzen Lebensabschnitt
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