Ostseetour 2019

Pfingsten 2017: Es ist 5 Uhr am Morgen und es regnet wie aus Eimern. Ich fahre die Straße runter zu Tim, denn heute wollten wir unser großes Vorhaben in die Tat umsetzen und eine 300-km-Tour in Angriff nehmen, doch der Regen nimmt noch zu und die Wetterprognose zeigt, dass die Regenwolken uns verfolgen würden. Somit blasen wir die Tour ab und starten am Mittag zu einer etwas kleineren Tour mit einem Abstecher auf den Bungsberg (mit 167 Metern die höchste Erhebung Schleswig-Holsteins) und für ein Eis in Grömitz.

Im August starten wir einen zweiten Versuch und ziehen es durch. Es war episch! Lübeck, Puttgarden, Rödby, Gedser, Rostock, Wismar, Lübeck - so die "Eckepfeiler" dieser Tour. Start im Dunkeln, Ankunft im Dunkeln, zwischdurch ein Sturz mit Rippenprellung, aber angekommen. Diese Geschichte steht allerdings auf einem anderen Blatt... Datenaufzeichnung von damals: Ostseetour 2017

Karfreitag 2019 - Es ist wieder Zeit, diesmal bin ich allein. Der Wecker klingelt um 4, nach einem entspannten Frühstück dann der Aufbruch gegen viertel nach 5. Es ist der 19. April, Sommerzeit, natürlich ist es noch dunkel. Licht ans Rad und ab dafür. Dieses Mal fahr ich eine leicht andere Route nach Puttgarden, schön an der Ostsee entlang, über Timmendorfer Strand, Scharbeutz und Neustadt. Dadurch erreiche ich das Fährterminal nicht nur schon nach 100 statt 105 km sondern gehe auch ein paar Anstiegen bewusst aus dem Weg. In weiser Voraussicht habe ich mir einen sonnigen Tag rausgesucht, etwas windig, aber klar. Die erste Etappe ist aber auch dementsprechend frisch. Bei 3-5 °C freu ich mich bereits auf die Mittagsstunden in Dänemark. Die Fähre legt alle 30 Minuten ab. Die ersten Kilometer habe ich noch Hoffnung die Fähre um 8:45 zu erwischen, aber was soll der Stress? 200 W in den Pedalen, aber leichter Gegenwind und hier und da noch eine kurze Pipipause, die Fähre um 9:15 sollte reichen. Und die wurd's dann auch.

 

 Um 10:00 setze ich die Füße beziehungsweise Räder aufs dänische Königreich. 3 Stunden habe ich Zeit für die kleine Grenzkontrolle und die anschließenden gut 65 km gegen den Wind um die nächste Fähre, die in Gedser zu erreichen. Eigentlich ein Kinderspiel. Für diese Etappe hatten Tim und ich vor 2 Jahre inklusive Stopps nicht keine 2 Stunden gebraucht, allerdings kam der Wind da aus der anderen Richtung. Ein Verpassen der 13 Uhr Fähre wäre auch verheerend muss man wissen, da hier die Fährüberfahrten nur alle 2 Stunden stattfinden und eine Ankunft bei Tageslicht schon bei der geplanten Fährüberfahrt ein schwieriges Unterfangen ist. Zur Dänemarkstrecke Rödby-Gedser muss man auch wissen, es geht über die Hälfte der Strecke einfach nur flach und geradeaus von Westen nach Osten. Schnell bei Rückenwind, nicht so schnell bei Gegenwind. Um das in Zahlen auszudrücken: 2017 - Rückenwind, 176 W, 37,3 kmh, 2019 - Gegenwind, 200 W, 26,0 kmh. Und somit hatte ich Zwischendurch doch noch so ein wenig die Befürchtung, die Fähre nicht zu erwischen, also hab ich schön weiter gegen den Wind gedrückt (und bei meinem Gewicht mit über 100 km bereits in den Beinen sind auch 200 W echt unangenehm^^). Nach einer gewissen Zeit fühlt sich jede Windböe so an, als würde sich der Wettergott ins Fäustchen lachen und man verflucht jeden 1%-Anstieg, irgendwann ist man innerlich nur noch am Fluchen. Irgendwann dann aber bin ich doch um 12:41 in Gedser angekommen - Tschüss Dänemark!

166 km auf dem Tacho, noch 134 vor mir. Ich komme 14:45 wieder in Deutschland an und befinde mich am Fährterminal in Rostock. Es ist mittlerweile angenehme 20°C. Mein Gesamttemposchnitt liegt inzwischen nur noch bei gut 28 kmh, trotz knapp 200 W und verhältnismäßig wenig Höhenmetern bis hierhin. Aber was soll's, ich freu mich auf Rückenwind. 2017 mit Tim stand am Ende der Tour (damals waren es 305 km) ein Schnitt ganz knapp über 30 kmh bei 176 W auf dem Tacho. Diese 30 kmh schlummern natürlich auch wieder im Hinterkopf. Wenn auch im Vordergrund das Erlebnis als solches steht und die Idee war, einen klaren Kopf zu bekommen (private Rückschläge zu verarbeiten), hatte ich Bock auf den 30er-Schnitt. Bis ich aus Rostock raus bin (Zwischenstand 175 km, 6:09h, gute 19 Minuten hinter dem virtuellen 30er-Schnitt) glaube ich auch nicht mehr dran. Jedoch bläst dann der Wind diesmal von der unterstützenden Seite und die Kilometer purzeln. Auch wenn die meisten Höhenmeter auf diesem letzten Abschnitt noch vor mir liegen, pustet mich der Wind über die Hügel. Nach knapp 7 Stunden erreiche ich Wismar (Zwischenstand knapp 233 km und gute 7:50 h) und lege meinen dritten und letzten längeren Verpflegungsstopp (die anderen beiden waren offensichtlich die Fährüberfahrten) bei Coney's Hotdogs ein. Ich krame mein restliches Geld für ein kleines Menü (Hotdog, Donut, Cola) heraus.

Im Hinblick aufs nicht ewig währende Tageslicht behalte ich die Uhrzeit im Blick. Für den Stopp gönne ich mir 30 Minuten, von 17:30 bis 18 Uhr, bevor es auf die letzten 67 km heimwärts geht. Der Plan ist es meine Wohnung vor 20:30 - also noch bei Dämmerung zu erreichen. Der strebsame Rechenkünstler wird an vorheriger Stelle vielleicht noch bemerkt haben, dass mir circa 5 Minute auf den 30er-Schnitt fehlen. Die gilt es nun auf den letzten Kilometern zuzufahren. Nur wo ist nun der Wind hin? Besser gesagt der Rückenwind, den ich mir in Dänemark in Form von Gegenwind so hart erarbeitet habe? Es ist windstill geworden, die letzten flinken Kilometersplits muss ich mir also selbst erarbeiten. Und so wird aus dieser Spaßtour nun doch noch letzten Endes ein sportliches Unterfangen. Nach 9 Stunden dann habe ich 270 km auf der Uhr - 30er-Schnitt - Hurra!! ^^v Diesen Rette ich dann auch nach Hause. Zu Hause angekommen habe ich 295 km auf dem Tacho. Das kann ich so nicht stehen lassen, drehe also noch eine kleine 5 km Runde und begebe mich erschöpft, aber zufrieden um 20:25 in meine Wohnung, unter die Dusche, auf die Couch, ins Bett.

Vielleicht sei an dieser Stelle nochmal angemerkt: Ich glaube nicht daran, dass dies als effiziente Trainingseinheit gesehen werden kann und erst recht nicht so gedacht war. Wer also schneller werden will, der sollte lieber vernünftig trainieren. Wem das nicht immer so wichtig ist und wer auf ein tolles Erlebnis aus ist, der darf mich nächstes Mal begleiten ;-)

 

Danke fürs Lesen! Abschließend noch die Datenaufzeichnung dieses Ritts: Ostseetour 2019

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