Da ich voller Vorfreude nun endlich vor meinem nächsten Halbmarathon stand, nutzte ich die Gelegenheit nochmal demütig zurückzublicken. Meinen allerersten Halbmarathon (mein zweiter Volkslauf überhaupt) bin ich am 16. Mai 2010 in Schwarzenbek gelaufen. Damals bin ich stolzer sechster in 1:35:00 h geworden. Seitdem bis zum heutigen Tag gehört der Halbmarathon definitiv zu meinen Lieblingslaufdistanzen, worauf man erstmal nicht unbedingt kommen würde, wenn man sich die Wettkämpfe meiner letzten Jahre ansieht. Meinen letzten offiziellen Halbmarathon bin ich 2017 bei den Landesmeisterschaften in Lübeck gelaufen, der vorletzte liegt nunmehr bald 4 Jahre zurück (August 2015). Im letzten Jahr habe ich noch in Grömitz den als Halbmarathon ausgeschriebenen Lauf freudig mitgenommen (welcher allerdings nicht akkurat geschweige denn amtlich vermessen ist und ein paar 100 Meter zu kurz ist).
Wie auch immer, was mir am Halbmarathon gefällt ist im Grunde schnell gesagt: Das Tempo ist nicht so unangenehm wie über 10 km oder weniger und die Länge ist wesentlich zuträglicher als zum Beispiel beim Marathon. 10-Meilen-Läufe schlagen übrigens in dieselbe Kerbe, sind aber doch recht selten (Die einzigen, bei denen ich war, waren im Rahmen des Airport Runs in Hamburg im September). Seit Schwarzenbek habe ich die 21,0975 km (+/-) glaube ich 13 Mal unter die Füße genommen. 9 Mal davon bin ich in unter 80 Minuten ins Ziel gekommen. Der nächste Streich sollte dann am 11. Mai in Itzehoe erfolgen.
Die Vorbereitung in den letzten Monaten war alles andere als Halbmarathon-spezifisch: Die Wochenumfänge haben sich bei überschaubaren gut 50 km eingependelt und die Trainingstempi waren recht stark polarisiert, entweder Dauerläufe in circa 5 min/k oder Bahneinheiten, im Kern meistens mit 200-Meter-Intervallen. Lange Läufe (> 90 Minuten) habe ich lediglich 2 Mal zu Sightseeing-Zwecken (London und Stuttgart) absolviert. Ein Laktatstufentest (auf dem Rad) hat dann offenbart, dass ich nun sehr viel mehr Laktat bilden kann als noch im letzten Jahr. Wo früher noch bei 5-6 mmol/l Feierabend war, liegt dort aktuell in etwa meine IANS (individuelle anaerobe Schwelle) und der Abbruch kommt erst bei etwa 13 mmol/l. Daraus könnte man grob schließen, "der Motor" sei gewachsen und müsse nun im weiteren Laufe der Saison ökonomisiert werden, sprich: Lange Intervalle zur Senkung der Laktatbildungsrate. An sich eine eher positive Diagnose, die Frage, die uns dann aber brennend interessiert ist, ob das schon ein ausreichender Ist-Zustand für einen erfolgreichen Halbmarathon sein kann. Mein Wunschziel war im Bereich meiner Bestzeit zu laufen (1:14:39 h).
Das Rennen
Etwas anders als so oft gewohnt fällt der Startschuss an einem Samstag Nachmittag um 15:30 Uhr beim Itzehoer Störlauf. Eine schöne Laufveranstaltung, wie sich noch rausstellen sollte, die zurecht mit mehreren 1000 Teilnehmern über alle Wettbewerbe eine der größten Laufveranstaltungen des Landes ist. Die Meldeliste wurde wie immer im Vorfeld akribisch studiert und so läuft es anfangs in etwa so, wie ich es mir ausgemalt habe. Nach wenigen 100 Metern setze ich mich zusammen mit Dieter und Simon vom Rest des Feldes ab. Noch vor Erreichen der 1-Kilometer-Marke habe ich einen beachtlichen Rückstand auf das genannte Duo. Nach dem ersten gelaufenen Kilometer, der leicht abschüssig und windunterstützt war, signalisiert mir meine Uhr eine Zeit von 3:14 - Oh Oh! Der Blick geht nach vorn und erblickt eine Lücke auf Platz 1 und 2, dann geht der Blick ein erstes und letztes Mal zurück und erblickt eine noch größere Lücke auf Platz 4 und den Rest. Von nun an bin ich mutterseelenallein - Ein Glück, dass es nur noch gute 20 Kilometer sind ._.
Glücklicherweise spielt das Wetter am heutigen Tag mit, es ist eher sonnig als bewölkt und hier und da weht eine frische Brise. Die Strecke bietet eine tolle landschaftliche Atmosphäre, was hier und da aber nicht wirklich der Einsamkeit entgegenwirkt. Noch eine ganze Weile kann ich das Führungsduo zumindest in der Ferne sehen. Bei 5 km gehe ich in 17:07 durch. Bis hier hin fühlt es sich an, wie ein Bergablauf mit Rückenwind. Rückblickend und mit dieser Zeit muss ich aber auch sagen: Genau das war es bis hier hin auch. Das letzte Mal sehe ich die Führenden oder zumindest den Zweitplatzierten auf einer langgezogenen Gerade, an der man problemlos einige hundert Meter vorausschauen kann, bei Kilometer 10 (Durchgangszeit 35:03). Im Anschluss wird es etwas verwinkelter, wodurch mein einziger Anhaltspunkt die Uhr bleibt. Hier und da geht es nun durch kleinere Ortschaften mit ebenso kleinen aber wirklich herzlichen Stimmungsnestern. Die Zuschauer sind großartig und haben wirklich hier und da das Gefühl der Einsamkeit erfolgreich verdrängen können. Das Streckenprofil wird nun zunehmend anspruchsvoller, wobei die Strecke nach wie vor in die Kategorie flach einzuordnen ist, und der Wind machte sich bemerkbarer. Kilometer 15 habe ich nach 52:54 min hinter mir. Die Beine sind noch da und es wird bei jeder Verpflegungsstelle gewissenhaft ein Schluck Wasser nachgetankt. Die letzte 3 km führen direkt am Deich an der Stör entlang. Die Zuschauer in diesem Bereich waren zunächst Schafe - besser als nichts. 2 km am gegenüberliegenden Ufer des Zielbereichs geht es noch darum, konzentriert zu bleiben (Körperhaltung, saubere Armbewegung, sauberer Schritt), bevor es dann über die Brücke auf den letzten Kilometermeter geht. Kilometer 20 passiere ich bei 1:10:58. In meinem Kopf rattert es und ich stelle fest, dass ich noch 4:01 Minuten für den Rest habe, um zumindest eine 1:14 h ins Ziel zu bringen und mir meine Pommes im Ziel wirklich zu verdienen. Also aktiviere ich den Panikmodus und nehme das Herz in die Hand. Nach 1:14:44 h erreiche ich das Ziel, 2:10 hinter Dieter auf Platz 2 und 2:27 min vor dem Viertplatzierten. So allein bin ich glaube ich noch nie zuvor durch einen Laufwettkampf gekommen. Umso zufriedener bin ich mit meiner Zeit - genau wie vor 10 Tagen (über 10 km) nur 5 Sekunden über meiner persönlichen Bestzeit. Ich bin auf dem richtigen Weg.
Datenaufzeichnung der Halbmarathon LM 2019
Glückwunsch an Simon zu seinem ersten Landesmeistertitel in der offenen Klassen! Für mich geht es nun nächstes Wochenende nach Grömitz und eine Woche später zum ersten großen Saison-Highlight zum Ironman 70.3 Austria in St. Pölten. Danke fürs Lesen!
Kommentar schreiben