Zwei Straßenläufe und ein ereignisreicher Urlaub

Startwelle der Frauen bei der 10 km DM in Leverkusen
Startwelle der Frauen bei der 10 km DM in Leverkusen

Die DM über 10 km hatte ich ursprünglich gar nicht auf dem Zettel, aber sie kam wie gelegen. Aufgrund meiner Laufzeiten in der vergangenen Saison habe ich nach Wettkämpfen gesucht, in denen ich Teil des (Semi-)Elitefeldes sein durfte. Dadurch bin ich auf den Den Haag Halbmarathon am 10. März aufmerksam geworden. Ich habe mich also angemeldet und Urlaub für die Vorwoche beantragt. Später wurde bekannt gegeben, dass eine Woche vor dem Halbmarathon (untypischerweise also im Frühjahr) die 10 Kilometer DM im Rahmen des Laufs "Rund ums Bayerkreuz" stattfinden sollte. Sowohl örtlich als auch zeitlich lag es nah, den Urlaub mit diesem Zehner zu eröffnen.

Seit Dezember hat mich das Lauffieber einmal mehr gepackt. Auch in der Saisonpause wollte ich selten von meinen morgendlichen Läufen absehen. Ab Januar kamen immense Laufumfänge zusammen. In den letzten 12 Wochen vor der Wettkampfwoche waren es schließlich über 1600 Lauf-Kilometer. Bereits bevor der Februar zu Ende war, konnte ich über 1200 Jahreskilometer verbuchen, über 20 km als Tagesdurchschnitt. Dass ich dementsprechend kaum geschwommen oder geradelt bin, erklärt sich vermutlich von selbst. Eine Ellenbogen-Luxation durch einen Sturz beim Bouldern im Januar tat ihr übriges: Seitdem musste ich das Schwimmen komplett einstellen. Läuferisch lief es weiterhin gut. In der Regel standen wöchentlich, meist Dienstags und Samstags, intensive Trainingseinheiten an, häufig 1000er-Serien, manchmal 400er-Serien, selten auch mal etwas längeres wie der Havelkanal parkrun (5 km in 15:47) mit kürzeren Intensitäten im Anschluss. Sonntags pflege ich gerne einen langen Lauf von etwa 2 Stunden einzulegen. Allmählich senkte sich die Herzfrequenz bei moderater Belastung und die Form stieg sukzessive. Irgendwann habe ich mir das Ziel gesetzt, die 10 km erstmals unter 32 Minuten zu laufen, und ich war durch die Trainingsergebnisse auch davon überzeugt, dass es klappen kann.

Deutsche Meisterschaft über 10 km

Die Pizza am Abend vorm Wettkampf
Die Pizza am Abend vorm Wettkampf

Am Samstag Vormittag mache ich mich auf nach Leverkusen. Trotz angekündigter Bahnstreiks verläuft die Anreise reibungslos und durch relativ leere Züge sehr entspannt. Für diesen Urlaub habe ich mir ein Geschenk eines Freundes, das Buch "Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede" von Haruki Murakami, aufgespart. Zudem verbringe ich die restliche Anreise mit Japanisch lernen. Noch bevor ich mir überlegen kann, Musik oder Podcasts zu hören, oder den Blick über vorbeirauschende Landschaft schweifen zu lassen, bin ich bereits am Zielort angekommen.

Ich teile mir ein Zimmer mit Simon, der es ebenfalls auf eine persönliche Bestzeit abgesehen hat. Nach dem Check-In laufe noch den Wettkampfkurs ab, mache dort meine bewerte Vorbelastung (1 km nahe am Anschlag) und fühle mich bereit. Am Abend gönnen wir uns eine Pizza und lassen den Abend mit einem Blick nach Glasgow (Leichtathletik Hallen-WM) ausklingen.

Mit kleineren Blessuren aber glücklich im Ziel
Mit kleineren Blessuren aber glücklich im Ziel

Der Kurs in Leverkusen ist verdammt schnell und führt über 4 Runden mit etwas weniger als 2,5 km. Start und Ziel sind etwas versetzt, um die 10 km vollzumachen. Am Start sind neben der deutschen Laufelite hunderte von ambitionierten Amateuren. Zeiten um die 30 Minuten sind hier also nichts außergewöhnliches, Zeiten um die 32 Minuten noch viel weniger. Ich werde also ganz sicher nicht alleine laufen müssen. Zudem ist das Wetter einfach perfekt: Es ist sonnig, angenehm warm und nahezu windstill. Wie sagt man so schön? Es ist angerichtet.

Bei unserem Start um 11:45 habe ich mich etwa in der fünften bis siebten Reihe positioniert. Ich denke, hier stehe ich gut. In dieser Startwelle starten im Wesentlichen die knapp 500 männlichen Teilnehmer der DM und einige wenige schnelle Frauen, die außer DM-Wertung laufen. Es ist eng im Startbereich. Um mich herum höre ich Stimmen, die davon reden, was uns gleich für ein schlimmes Gedränge bevorstehe. Ehrlich gesagt, macht mich das nicht wirklich nervös. Bis jetzt ging ja immer alles gut. Dennoch bemerke ich, dass sich direkt vor mir eine Frau aufgestellt hat, direkt davor noch eine, und da frage ich mich, warum man sich (in einem dermaßen starken Feld) ganz vorne einreihen muss, wenn es offensichtlich ist, dass es für alle Beteiligten besser und sicherer ist, wenn man sich ungefähr nach Zielzeiten geordnet aufstellt. Sei es mangelnde Selbsteinschätzung oder einfach ein Symptom einer kopflosen Ellenbogengesellschaft, aber es ist wirklich immer dasselbe. Vor dem Startschuss störe ich mich aber nicht allzu daran. Wenige Sekunden nach dem Start aber stürzt die Teilnehmerin zwei Reihen vor mir, die Teilnehmerin dahinter fällt über sie rüber. Ich schaff es abzubremsen, werde dann aber direkt über die liegenden Athleten rüber gedrückt und lande auch auf dem rauen Asphalt. Mit Abschürfungen an Hand, Ellenbogen und einer Prellung an der Hüfte versuche ich mich schnellstmöglich aufzurichten, werde aber wieder runtergedrückt. Der Gedanke "Sch... Das war's." keimt in mir auf.

Foto mit den Running Gags vom LSC Höchstadt. Alle vier auf dem Bild haben das Ziel in unter 32 Minuten erreicht.
Foto mit den Running Gags vom LSC Höchstadt. Alle vier auf dem Bild haben das Ziel in unter 32 Minuten erreicht.

In den wenigen Sekunden am Boden bete ich, dass mir keiner über den Kopf oder die Hände rennt. Dass so etwas auch in einem multiplen Handknochenbruch resultieren kann, hat bereits ein Freund vor einigen Jahren bei einer Landesmeisterschaft unfreiwillig gezeigt. Der zweite Versuch glückt aber und beginne mein Rennen, dankbar dafür, dass nichts schlimmeres passiert ist. Dennoch: In der kurzen Zeit auf am Boden sind einige hundert Teilnehmer an mir vorbeigezogen und die schmale Straße ist rammelvoll. Nun bin ich in einer Menschenmenge gefangen, die auf eine Zielzeit über 35 Minuten anläuft, überholen ist schwer. Nach der ersten Kurven laufe ich ganz nach außen und habe fast freie Bahn, laufe an zig Läufern vorbei. Für den ersten Kilometer benötige ich mit allem Drum und Dran dreieinhalb Minuten. Ich liege also bereits über 18 Sekunden hinter meinem avisierten Plan und das nach einem einzigen Kilometer. Den zweiten Kilometer renne ich adrenalingetrieben in 3:06. Den Gedanken, dass ich mir gerade mein eigenes Grab schaufeln könnte, verdränge ich mehr oder weniger. Zum Ende der ersten Runde erreiche ich immerhin wieder eine Position um Platz 200 herum. Jedes Mal, wenn ich eine halbwegs distinkte Gruppe erreiche, verharre ich kurz bei ihr und schließe die Lücke kurz darauf zur nächsten Gruppe. Dieses Spiel wiederholt sich alle ein bis zwei Minuten. Es ist kräftezehrend, aber aushaltbar. 5 km habe ich nach 16:08 min hinter mir. Dementsprechend glaube ich zumindest wieder an eine gute Zielzeit. Seit dem dritten Kilometer haben sich relativ konstante Kilometer-Zeiten um 3:10 eingestellt. Ich beginne zu rechnen, wann ich wo sein muss, damit doch noch eine 31er-Zeit Wahrheit werden könnte. Meine Uhr vibriert bei der 9-km-Marke nach 28:49. Also 3:10 für den letzten Kilometer, zu realistisch, um es nicht zu versuchen, zu greifbar, um nicht alles zu geben. Auf der Zielgeraden realisiere ich die Uhr über der Ziellinie: 31:43, aber wie weit ist es noch? 90 Meter, dann passt es. 110 Meter? Dann nicht. Beim Überqueren der Ziellinie zeigt die Uhr 32:00 oder 32:01, ich stoppe meine Uhr, die dies bestätigt. Das erste Gefühl nach dem Ziel ist Ärger, Enttäuschung über den unglücklichen Start.

Die Belohnung für den Kampf um Sekunden
Die Belohnung für den Kampf um Sekunden

Wenige Minuten danach sehe ich, dass man seine Startnummer scannen kann, um direkt die offizielle Laufzeit einsehen zu können: 32:02 brutto und netto... 31:58! Ich kann es kaum glauben. Es hat doch noch geklappt. Mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass ich die letzten 9 Kilometer trotz ständiger Überholmanöver in 3:10er-Schnitt gelaufen bin, wäre wohl noch eine signifikant schnellere Zeit drin gewesen, allerdings ist mir die Geschichte, wie sie an diesem Tag abgelaufen ist eigentlich noch lieber als ein perfektes Rennen, das ungefähr 20 Sekunden schneller gewesen wäre. Diese Erinnerung wird auf jeden Fall lange bleiben.

 

Ergebnisliste

 

Wettkampf-Aufzeichnung

Brüssel, Antwerpen, Rotterdam - Die Zeit zwischen den Wettkämpfen

Der Blick vom Riesenrad auf Brüssel
Der Blick vom Riesenrad auf Brüssel

Mit dem Einstieg in den Zug weiter in Richtung Westen beginne ich den touristischen Mittelteil meines Urlaubs. Die zweieinhalb Stunden Zugfahrt vergehen wieder wie im Flug. Ich habe im Vorfeld wenig geplant, lediglich die Fahrt von Leverkusen nach Belgien und die Unterkünfte habe ich vor meiner Fahrt nach Leverkusen gebucht. Zugegebenermaßen hatte ich vorher kaum eine Vorstellung von Brüssel, ich wusste nicht mal sicher, welche Sprache man dort spricht. Nun weiß ich es: Fast alle! Brüssel ist die Stadt mit dem zweitgrößten Einwohneranteil ausländischer Herkunft (nach Dubai). Zudem liegt Brüssel mehr oder weniger im Grenzbereich zwischen der wallonischen Region und Flandern. Den größten Sprachanteil hat hier das Französische, aber nicht viel seltener höre ich flämisch (auch belgisches Niederländisch genannt). Lokalpolitisch macht es das Ganze natürlich nicht unkomplizierter und als Sitz des europäischen Parlaments schreit die Stadt förmlich "Europa". Mein erster Eindruck von Brüssel war das moderne Flair, sehr viele Hochhäuser, eine Metropole. Im Gegensatz zu vielen anderen Städten wirkte es hier aber deutlich sauberer, geordneter, weniger laut. Allerdings auch nur wenn man sämtliche Verkehrsteilnehmer ausklammert. Rote Ampeln scheinen hier nur als Leucht-Deko zu fungieren und Warten ist anscheinend zu lästig. Ein großartige Stadt, von der ich vorher echt kein Bild hatte. Auch wusste ich nicht, wie viele Einwohner es hier gab, auch die Frage ist nicht ganz trivial. Die offizielle Stadt, die im Grunde nur der Stadtkern ist, hat kaum mehr Einwohner als Potsdam. Die "Region Brüssel", die meinem Eindruck nach einer eigentlichen Stadt näher kommt, beherbergt 1,2 Millionen Einwohner.

La Grande Place / Grote Mart
La Grande Place / Grote Mart
Das Atomium
Das Atomium

Für die Städte, die ich besuche, nehme ich mir jeweils mindestens eine Free Walking Tour, eine hohe Aussichtsplattform, ein Museumsbesuch vor. Dazu täglich zwei Läufe, um möglichst viel zu sehen und ein besonderes und/oder lokales kulinarisches Erlebnis. Am Sonntagnachmittag, dem Tag der DM und meiner Ankunft in Brüssel, belasse ich es bei einem ausführlichen Spaziergang zwischen Bahnhof und Unterkunft. Am Morgen laufe ich durch drei verschiedene Parks, bewundere die Skyline auf der einen Seite und die altehrwürdige architektonischen Meisterwerke auf der anderen Seite und überlege mir dabei Pläne für den Tag. Im Anschluss gibt es einen reichhaltigen Fertig-Salat aus dem Supermarkt. Dieser Start in den Tag setzt sich dann auch die Folgetage so durch. Ich suche mir täglich den Salat mit dem höchsten Eiweißanteil raus. Um den Körper mit genügend Energie zu versorgen, gibt es dazu noch weitere proteinreiche Quellen wie Eier und Nüsse, dazu Obst. Immerhin befinde ich mich ja auch wieder in einer Wettkampfwoche. Um die Mittagszeit nehme ich an einer Free Walking Tour durch Brüssel teil. Dank des herzlichen und lustigen Guides Fraser aus Schottland, die bislang beste, die ich je hatte. Auch unter uns Teilnehmern sorgte Fraser für einen guten Vibe und macht die Tour interessant und unterhaltsam. Anschließend schlendere durch die Stadt, gönne mir zwei belgische Waffeln mit Eis und betrachte die Stadt zwischendurch von einem Riesenrad (10 € Eintritt dafür, man gönnt sich ja sonst nichts). Am späten Nachmittag steig ich in die U-Bahn und fahre zu einem der Wahrzeichen der Stadt, dem Atomium. Architektonisch auch wieder ein Zungenschnalzer und mit einem Ausblick, bei dem ich mich fast ärgere, im Riesenrad gewesen zu sein. Sehr zu empfehlen. Nach einem kurzen Läufchen gibt es am Abend meines ersten ganzen Touri-Tages in Belgien, wie sollte es anders sein, belgische Pommes.

Einer der vielen Iguanodons, die in dieser Region gefunden wurden und im Natural Science Museum ausgestellt wurden
Einer der vielen Iguanodons, die in dieser Region gefunden wurden und im Natural Science Museum ausgestellt wurden

Den Dienstag beginne ich wieder mit einer etwa 15k großen Laufrunde, hauptsächlich am Kanal entlang und in/um einen großen Park. Zur Mittagszeit widme ich mich einem Besuch in einem Naturkunde-Museum. Ein Großteil der Ausstellung befasst sich mit Dinosauriern. Damit aber nicht genug. Wie umfangreich die Ausstellung wirklich ist, bemerke ich erst nach knapp 2 Stunden, nachdem ich mit dem Dinosaurier-Teil durch bin. So verbringe ich über 3 Stunden in dem Museum, welches ich wärmstens weiterempfehlen möchte. Im Café des Museums verschaffe ich mir noch eine Stärkung und mache mich mit einem kleinen Schlenker am Europa-Parlament vorbei auf den Weg zum Bahnhof. Ich verlasse Brüssel am späten Nachmittag mit guten Erinnerungen und mache mich auf nach Antwerpen.

Die Kathedrale in Antwerpen
Die Kathedrale in Antwerpen

Die Überfahrt nach Antwerpen vergeht, nicht nur gefühlt, sehr schnell. Keine Stunde später, oder drei Duolingo-Lessons und 10 Seiten im Buch, später steige ich mitten in Flandern aus dem Zug. Das Stadtbild scheint mir erstmal ähnlich wie in Brüssel, aber bei näherer Betrachtung in meinen Augen noch schöner! Die ersten Highlights erwarten mich unverhofft noch vor Einbruch der Dunkelheit. Der Bahnhof ist einfach imposant und eine Attraktion an sich. Vor Einbruch der Dämmerung laufe ich nochmal los und unterquere den Kanal in Antwerpen zwei Mal über je 500 Meter lange Tunnelwege. Der Blick an der Promenade auf die Stadt mit der wunderschön beleuchteten Kathedrale ist kaum in Worte zu fassen! Ich beende den Tag mit einer herrlichen Poke-Bowl, führe Tagebuch und wie immer, wenn sich ein Zeitfenster auftut und ich mich genug bewegt habe, widme ich mich dem Japanisch-Lernen.

Ein Schloss aus Schokolade im Chocolate Nation
Ein Schloss aus Schokolade im Chocolate Nation

Mittwoch in Antwerpen starte ich mit einem Lauf Richtung Hafen, auch wieder ein Highlight an sich. Zwischen dem Frühstück und der nächsten Free-Walking-Tour beschließe ich, mir die Kathedrale von Antwerpen anzusehen. Ich bin nicht religiös und kein großer Kunstliebhaber, daher zögere ich kurz, als am Eingang der Kathedrale 12 € Eintritt verlangt werden (und darin enthalten ist auch nicht der Aufstieg, den man im Voraus hätte buchen müssen). Aber wie gesagt: Man gönnt sich ja sonst nichts und ich kann nur sagen, dass ich es keineswegs bereue. Dieses Gebäude ist von innen mindestens genauso wunderschön wie von außen, vollgepackt mit unzähligen Kunstwerken, darunter viele von Peter Paul Rubens, welcher selbst einem Banausen wie mir ein Begriff ist. Die imposanteste und schönste Kirche, die ich bislang gesehen habe. Die anschließende Free-Walking-Tour ist auch wieder unheimlich interessant, mit vielen Fakten über die Stadt dessen Fundament aufgrund steigender Wasserspiegel im Laufe der Zeit mehrmals angehoben werden musste. Mein absolutes Highlight in Antwerpen steht aber noch bevor: Das Schokolade-Museum "Chocolate Nation". Hier wird man durch einen Audio-Guide durch die ganze Ausstellung geleitet, überall duftet es nach Schokolade und am Ende darf man noch 10 verschiedene Schokoladen verköstigen, unter anderem die Ruby-Schokolade, von der ich zuvor noch nie gehört hatte. Die Belgier feiern diese als next big thing nach dunkler, Vollmilch- und weißer Schokolade. Sie sieht aus wie Himbeer-Schokolade, schmeckt unheimlich fruchtig, hat aber, anders als man denkt, lediglich eine ganz bestimmte Kakaosorte als Grundzutat. Fürs Abendessen mache ich mir zu Nutze, dass in Belgien (und den Niederlanden) die japanische Küche unerwartet stark vertreten ist. Somit genieße ich eine Portion Spicy Ebi Furai Ramen bei Takumi.

Der Bahnhof von Rotterdam
Der Bahnhof von Rotterdam

Am Donnerstag drehe ich nach einem kurzen Läufchen noch eine Runde im Riesenrad am Bahnhof, da ich hier auch keine andere Gelegenheit für eine Aussicht von oben fand. Direkt im Anschluss mache ich mich auf nach Rotterdam, zumal ich dort nur eine einzige Übernachtung eingeplant hab. Wie in Brüssel und Antwerpen begrüßt mich auch im Zentrum von Rotterdam wieder ein modernes Flair mit dem Anblick zahlreicher Hochhäuser. Meine Unterkunft ist ein absoluter Traum! Es handelt sich um das City Hub. Stadt einer Schlüsselkarte erhält man ein Chip-Armband, das man auch zum Bezahlen an der Bar (Selbstbedienung) und Automaten benutzen kann. Man haust dort in einer Schlafkabine, in der man die Beleuchtung steuern kann und  in die Bluetooth-Boxen integriert sind. Die Duschen/Toiletten sind Gemeinschaftsräume, allerdings sind sie super in Schuss gehalten, perfekt sauber und begegnet bin ich dort auch sonst niemandem. Die Unterkunft war sehr günstig und unfassbar gemütlich!

 

 

Meine Unterkunft in Rotterdam (City Hub)
Meine Unterkunft in Rotterdam (City Hub)

In einem großen, nahegelegenen Park nehme ich meine letzte intensive Trainingseinheit vor dem Halbmarathon in Angriff. Das perfekte Ambiente im Schatten des Euromasts (mehr dazu später). Die Beine und die Wunden haben sich scheinbar gut regeneriert, die 5x1k in 3:13 fühlen sich geschmeidig an. Im Anschluss belohne ich mich erstmals in dem gigantischen Food Market, die Markthal. Dort finde ich zahlreiche Stände, reichhaltige Vielfalt, faire Preise und qualitativ hochwertiges Street Food vor. Ich bedauere ein wenig, nur einen Tag in Rotterdam zu sein, möchte aber aus dem vollen schöpfen. Ich beginne mit einem Chicken-Curry-Sandwich, hole mir dann ein Hering-Fischbrötchen und schließe das Abendessen mit einem Tonkatsu-Karee ab. Ausnahmslos unfassbar gut! Währenddessen erfahre ich, dass die Free Walking Tour für den Abend abgesagt wurde, da es zu wenige Anmeldungen gab. Ich beschließe also dann eben am Folgetag eine Walking Tour zu  machen und erst am späten Nachmittag weiter nach Den Haag zu reisen.

Auf der Aussichtsplattform des Euromasts mit der Erasmusbrücke im Hintergrund
Auf der Aussichtsplattform des Euromasts mit der Erasmusbrücke im Hintergrund

Somit beginn ich den Freitag mit einem Läufchen über die ikonische Erasmus-Brücke - ein weiteres architektonisches Meisterwerk auf meiner Reise. Was einen Blick von oben angeht steht nun das absolute Highlight der Reise an. Genau wie fast alle Attraktionen der letzten Tage, war mir der Existenz des Euromasts nicht bewusst. Für 22,50 € kann man auf die Haupt-Aussichtsplattform und dann noch in einer rotierenden Kabine bis an die Spitze des 185 Meter hohen Bauwerks fahren. Nicht zuletzt, weil es an diesem Tag absolut klar und sonnig ist, ist das wirklich jeden Cent wert. Was für eine Aussicht!

Bis zur letzten Free-Walking-Tour auf meiner Reise lege einen zweiten Stopp in der Markthal ein. Dieses Mal gibt es einen frisch frittierten Kipcorn für 1,50€, unheimlich gut, Pho mit einem Chicken-Sandwich als Mittagsangebot und eine "Red Velvet"-Kokosmakrone. Die Tour im Anschluss beginnt um 14 Uhr am Bahnhof und endet um 16:40 Uhr an der Markthal, und so kommt es dann eben dazu, dass ich in weniger als 24 Stunden dreimal an einem der vielleicht schönsten Orte der Welt zu Gast bin. Also gibt es vor der Abfahrt noch Poffertjes mit reichlich Erdbeeren. Mit der kurzen Bahnfahrt von Rotterdam nach Den Haag endet der fünftägige touristische Anteil meiner Reise. Ich habe das Gefühl, nicht eine Stunde verschenkt zu haben und freue mich, Simon wieder zu sehen und die letzten Tage zu nutzen, um uns auf den Wettkampf zu fokussieren.

Der Blick von ganz oben vom Euromast. Links der Park, in dem ich die letzte Intervall-Serie gelaufen bin.
Der Blick von ganz oben vom Euromast. Links der Park, in dem ich die letzte Intervall-Serie gelaufen bin.

Der Halbmarathon beim Loop Den Haag

Die Zeit von Freitagabend bis Sonntag 14 Uhr steht ganz im Zeichen der Entspannung, der Rennvorbereitung und des Carboloadings. Zudem hatte ich die Ehre, mit Simon seinen Geburtstag zu feiern. Neben alkoholfreiem Heineken, einer Pokebowl und Shoyu-Ramen gibt es in der Zeit vor dem Wettkampf noch viele weitere Leckereien. Die Glykogen-Speicher wollen gefüllt werden. Dazu haben wir das Hotelfrühstück dazu gebucht. Alles in allem haben wir mit dem Hotel einen hervorragenden Deal erwischt. Die Gegebenheiten vor Ort sind praktisch auf uns zugeschnitten: Das Hotel ist direkt am Zentral-Bahnhof, wo es viel Gastronomie gibt, auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich ein weitläufiger Park, an dem sich wiederum, 700 Meter vom Hotel entfernt, das Event-Gelände mit Start- und Zielbereich des Loop Den Haag befindet.

Leider habe ich in der Nacht von Freitag auf Samstag miserabel geschlafen. Wahrscheinlich habe ich dann doch zu spät zu viel gegessen, konnte nicht einschlafen, nicht durchschlafen und war früh wach. Mit dem Sonnenaufgang trabe ich ein bisschen durch den Park, bin aber immer noch, trotz der schlechten Nacht, guter Dinge. Nachdem wir Samstag Abend das Männerrennen der Prämiere der T100-Serie (hochkarätige Profi-Triathlon-Rennserie über jeweils 2 / 80 / 18 km) sehen, schlafe ich diese Nacht auch wesentlich besser. Die Vorbelastung, das Warmup und das Frühstück gestalten wir praktisch genau wie zuvor in Leverkusen. Wir stimmen darin überein, dass unsere Beine sich ausgezeichnet anfühlen und wir beide die Form für neue persönliche Bestzeiten aufweisen.

 

Mein Traumziel lautet, eine Zeit unter 69 Minuten zu erreichen, das entspricht einem Kilometerschnitt von 3:16. Aufgrund der Nähe lassen wir unsere Sachen nach dem Check-Out im Hotel und begeben uns trabend zum Start. Da ich einen Semi-Elite-Startplatz hab, kann ich mich dieses Mal ohne Gedrängel fast ganz vorne (direkt hinter der Elite) einsortieren. Der Start erfolgt (etwas ungewohnt spät, aber okay) um 14 Uhr.

Der Start verläuft reibungslos, allen voran muss ich dieses Mal nicht den Asphalt küssen. Das Feld sortiert sich und ich finde mich in einer kleinen Gruppe wieder. Der erste Kilometer ist ein wenig zu schnell, aber mit 3:09 noch im Rahmen. Das Tempo pendelt sich zunächst bei etwa 3:14/k ein. Auf einmal sehe ich neben mir Katharina Steinruck laufen, die vor sieben Tagen in Leverkusen in 32:05 schnellste Frau und damit deutsche Meisterin wurde. Mir war nicht bewusst, dass sie hier auch laufen würde, aber ich freue mich natürlich über die elitäre Gesellschaft. Sie liegt an zweiter Position in diesem hochkarätigen Feld. Das Wetter ist gut, bewölkt, ein wenig frischer und windiger als in Leverkusen, aber definitiv keine schlechten Laufbedingungen. Dass dieser Kurs an sich extrem schnell sein kann, ist klar, denn hier wurde 2007 in 58:33 ein Weltrekord gelaufen. Zunächst teilt sich das Grüppchen, in dem ich mitlaufe. Ich bleibe vorn dabei, die andere Hälfte um Steinruck, lässt sich etwas zurück fallen. Ich spüre aber nach und nach, dass das Tempo heute auch für mich etwas zu flott ist und lass mich fallen, ohne aber jemals im Rennen komplett allein laufen zu müssen. Kilometer fünf passiere ich nach 16:10 min. Meine Kilometersplits werden fortan etwas langsamer, Kilometer 5-8 laufe ich jeweils um 3:17 herum. Noch bevor es in den Gegenwind geht, landet Kilometer 9 schon bei 3:21. Es beginnt bereits etwas zäh zu werden. 10 Kilometer sind nach 32:47 min geschafft. Also ist die Zwischenzeit fast perfekt und genau eine Sekunde schneller als bei meiner Halbmarathon-Bestzeit vor einem Jahr in Berlin, nur dass ich mich heute, zu diesem Zeitpunkt, bereits merklich schlechter fühle. Von den folgenden Kilometern gelingt es mir kaum noch einen unter 3:20 zu drücken. Das Tempo pendelt sich um 3:23/k ein. Nach 12 Kilometern schluckt mich das Grüppchen um die zweite Frau wieder, zumindest bin ich nun wieder in guter Gesellschaft mit einem halben Dutzend Mitstreitern. Das Tempo bleibt konstant, und da ich "nur noch" dran bleiben muss, fühlt es sich auch ein wenig entspannter an. Nichts desto Trotz verliere ich meinen Drive und habe eine Zeit unter 69 Minuten längst aufgegeben. Kilometer 15 passiert unsere Gruppe nach 49:40 min, das heißt, dass ich für die letzten 5 Kilometer schon 16:53 min benötigt habe. Unser Grüppchen fällt nach und nach auseinander. Beim Überqueren der 18. Kilometermarkierung blicke ich auf die Uhr, wenige Sekunden bevor sie auf eine volle Stunde umspringt. Das heißt, für eine Zeit unter 70 Minuten hätte ich nun noch ziemlich genau 10 Minuten für die restlichen 3,1 km Zeit. Dass das nicht unmöglich ist, will Steinruck beweisen. Sie erhöht das Tempo. Meine Kraft reicht gerade noch aus, ein "Zieh durch, Katha!" hervorzubringen, aber, um zu versuchen mitzulaufen, ist mir der Punch bereits bei der 10-km-Marke abhanden gekommen. Mental bin ich nun einfach zu müde, um gegen die physische Müdigkeit anzukämpfen. Allerdings reiß ich mich dann doch noch mehr oder weniger zusammen und bringe den Wettkampf in meinem Tempo zu Ende. Auf der Zielgeraden sehe ich, wie Katha die Ziellinie überquert, zwei Sekunden später springt die Uhr auf 1:10:00 um, 15 Sekunden später überquere auch ich die Ziellinie in einer Netto Zeit von 1:10:13 h.

 

Letztlich waren meine zweiten 10 km fast eine Minute langsamer als die ersten, was neben dem flotten Angang aber auch ein wenig der Wind-/Laufrichtung geschuldet war. Das zeigt sich im fast kompletten Teilnehmerfeld. Dass mir am Ende 14 Sekunden zu einem zweiten Mal unter 70 Minuten gefehlt haben, ist zwar ein bisschen ärgerlich, aber eine herzliche Umarmung von der amtierenden deutschen Meisterin über 10 km, die es eben knapp geschafft hat, ist für mich mehr als entschädigend. Da ich mein ambitioniertes Ziel relativ deutlich verfehlt habe und auch 46 Sekunden über meiner bestehenden Bestzeit gefinisht habe, kann ich zwar nicht behaupten, hundertprozentig zufrieden zu sein, aber ich bin glücklich! Über das Rennen, den Urlaub, einfach alles!

Und woran hat es gelegen, dass es nicht ganz geklappt hat? Die Zielstellung war, denke ich, schon die richtige. Wenn es wirklich jedes Mal klappen würde, und das hat es in letzter Zeit wirklich fast immer, dann sollte man ohnehin hinterfragen, ob man sich nicht ambitioniertere Ziele stecken sollte. Der größte Faktor war vermutlich der recht kurze Abstand zur 10-Kilometer-DM. Sieben Tage nach einer gut halbstündigen Ausbelastung sind möglicherweise ein wenig zu kurz, um mental, hormonell, physiologisch wieder in absoluter Höchstform zu sein. Dazu kommt eventuell, dass ich in den fünf Tagen von Montag bis Freitag etwa 100 Kilometer gelaufen bin (überwiegend mit Sightseeing-Charakter) und sehr, sehr viel gegangen bin. So kamen im Schnitt etwa 35.000 Schritte pro Tag zusammen - verdammt viel, erst recht in für eine Wettkampfwoche. Dann war da noch die schlechte Nacht von Freitag auf Samstag. Abgesehen vom letzten Punkt würde ich allerdings nichts anders machen, wenn ich nochmal könnte. Dieser Urlaub war insgesamt so schön, dass ich ihn auf gar keinen Fall gegen ein paar Renn-Sekunden (auch nicht 74 Sekunden im Halbmarathon) eintauschen würde!

 

Ergebnisliste

 

 

Wettkampf-Aufzeichnung

Nicht zu Letzt aufgrund der kurzweiligen Zugfahrten hat sich mein Tagebuch während der Reise um etliche weitere Seiten gefüllt, insgesamt kamen wie in meinen "regulären" Wochen über zehn Stunden Japanisch-Lern-Zeit zusammen, und das Buch hab ich auch entspannt geschafft. Ich möchte allen danken, die sich diesen Reisebericht bis zum Ende durchgelesen haben! Vielleicht konnte ich den/die eine(n) oder andere(n) inspirieren oder dazu motivieren, zum Beispiel mal das Auto zu Hause stehen zu lassen oder nicht direkt in ein Flugzeug zu steigen, um einen schönen Urlaub zu verbringen! Merci und dank je wel!

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Kommentare: 1
  • #1

    Jano (Dienstag, 12 März 2024 05:34)

    Sehr schön geschrieben, Jan! Die 69 Minuten knackst du auch noch. Dafür hattest du einen richtig schönen Urlaub und konntest die 10 trotz Sturz unter 32 Minuten bestreiten. Ist doch super!

    Danke fürs Mitnehmen und für die Inspirationen. Belgien steht auch noch auf meiner Liste. �