Rückblick und Saisonabschluss in Tallinn

Meine Triathlon-Saison begann in diesem Jahr Mitte Juni beim Rennen der 2. Bundesliga in Eutin und endete vor kurzem, Ende August, bei der Ironman 70.3 Europameisterschaft in Tallinn. Mit gut 2 Monaten eine recht kurze Saison möchte man meinen. Nächste Saison wird das vermutlich anders, aber bis dahin ist es ja noch lange hin.

In dieser Saison bestritt ich 6 Triathlons, davon 4 Sprintdistanzen. Von diesen wiederum waren 3 im Rahmen der 2. Bundesliga Nord. Für mich waren es alles Leistungen, die in Ordnung waren. Allerdings ist es ein Format, das mir überhaupt nicht in die Karten spielt und mich jedes Mal zwingt, meine Komfortzone deutlich zu verlassen. Ein solides Schwimmen ist die Grundvoraussetzung für eine gute Platzierung. In dem Feld der knapp 80 Starter habe ich es zwei Mal vollbracht als letzter aus dem Wasser zu kommen, einmal als Drittletzter. Nichts desto Trotz habe ich es jedes Mal geschafft, noch eine kleine Gruppe (2 bis 7 Athleten) auf dem Rad zu erwischen, was mich dann doch gewissermaßen zufriedenstimmt. Das Niveau in der 2. Bundesliga ist einfach verdammt hoch und nicht zu vergleichen mit "offenen" Wettkämpfen jeglicher Art. Zur Gewichtung des Schwimmens kommt noch hinzu, dass die Streckenlängen relativ kurz sind. Auch eine Gegebenheit, die absolut gegen mich arbeitet. Mit der vorherigen Saison habe ich insgesamt 7 Wettkämpfe in der 2. Liga bestritten. In allen war ich irgendwo ein Teil des (hinteren) Feldes, aber zumindest nicht ganz Fehl am Platz. Am Ende konnte ich immer noch ein paar, wenn auch nicht viele (etwa 10 bis 20 andere Athleten), hinter mir lassen. Offensichtlich hat es in erster Linie an meinen Schwimmfähigkeiten, nicht aber am Schwimmumfang gelegen. Vielleicht lass ich meine Liga-"Karriere" damit endgültig gut sein, mal sehen.

Zwischendurch war ich bei zwei Spaßwettkämpfen am Start, ohne Windschattenfreigabe und am Ende auf dem Podium. Ein dritter Platz in Ketzin über die Sprintdistanz und ein erster Platz am Werbellinsee über die Kurzdistanz. Beides schöne Wettkämpfe, schöne Erlebnisse bei relativ gutem Wetter. Schön war's kann ich da nur sagen!

Am 17. August fand das Finale der 2. Bundesliga in Grimma statt. Das 750 Meter lange Schwimmen in der Mulde beendete ich als letzter, wenigstens aber mit Kontakt zum Vorletzten. Bald darauf fand ich mich zu zweit mit Nils, mit dem ich auch schon in Eutin in einer Gruppe saß, zu zweit in einer Gruppe. Gemeinsam konnten wir die Überrundung auf dem anspruchsvollen 4-Runden-Kurs abwenden. Klar war das anstrengender und langsamer als in den größeren Gruppen, aber wirklich anders kenn ich es ja gar nicht. Dementsprechend blau ging es für mich auf die Laufstrecke. Der Ofen war da schon fast auf, aber ich kämpfte um jeden Platz, konnte die einzelnen Kilometer in jeweils knapp unter 3:30 laufen. Am Ende war es der 64. Platz. Da die anderen Teammitglieder, Niels, Matti und Rick Platz 1, 2 und 24 belegten, reichte es am Ende fürs Tagespodium, allerdings denkbar knapp! An dem Tag hat buchstäblich jeder Platz gezählt. Dementsprechend hat sich der Kampf wirklich gelohnt!

Somit startete ich also in die letzte Wettkampfwoche. Zunächst mit einem kleinen Auftaktlauf vorm Frühstück. Nach dem Feierabend gab es einen großen Salat. Ein Salat, der gerettet wurde, das heißt, weg geworfen wäre. Offenbar war er nicht mehr allzu gut. Das kombiniert mit der Menge, der Belastung sofort danach, etwas zeitlichen Stress, einem Platten unterwegs und was weiß ich, was am Ende das Zünglein an der Waage war, führte dazu, dass die finale Wettkampfvorbereitung... ausfiel. Stattdessen heftiges Erbrechen noch am Montagabend. Magen leer und gut? Leider nicht. Die nächsten 3 Tage lag ich kraftlos im Bett, konnte kaum etwas essen. 3 Tage vorm Wettkampf habe ich einen Negativ-Rekord-Gewicht erreicht. Glücklicherweise ging meine Reise erst am Freitag los und zu dem Zeitpunkt war ich zumindest aufbruchbereit. Eigentlich der klassische Carboloading-Tag, eigentlich der schönste Tag in der Wettkampfvorbereitung, eigentlich... Ich probierte es mit Leichtverdaulichem und Softdrinks. Nach wenigen Happen und Schlücken stellte sich schnell ein Völle- und Übelkeitsgefühl ein. Freitagabend kam ich in Tallinn an, Samstagmittag holte ich zögerlich meine Startunterlagen ab, checkte mein Fahrrad am Nachmittag noch zögerlicher ein, ohne dass es mir wesentlich besser ging. Der Aufwand und die Kosten waren einfach zu hoch als dass ich den Wettkampf einfach komplett sausen lassen wollte...
und dann am Abend konnte ich wieder essen! Zwar nur Eiscreme und Cracker und nicht viel, aber ohne direktes Völlegefühl! Zwar war ich noch weit weg von fit, aber zumindest konnte ich mich wieder als gesund betrachten. Am Morgen des Renntags war ich natürlich beim Frühstück noch vorsichtig. Ich hatte meine Zweifel, das alles gut gehen würde, sah mich schon gekrümmt am Straßenrand liegen, aber die Hoffnung war da, und ein Versuch war's alle Male wert.

Der Start der Amateure erfolgt erst um 10:30 Uhr, anderthalb Stunden nach dem der Profis. Das Schwimmen wurde aufgrund schlechter Wasserqualität in die Ostsee verlegt. Der Start erfolgt als "Rolling Start" an Land. Der Einstieg ins Wasser ist so flach, dass man über 100 Meter ins Meer laufen kann, bis es tief genug zum Schwimmen ist. Zwar liegt mir Laufen deutlich besser als Schwimmen, aber das Laufen im knietiefen Wasser ist nochmal etwas völlig anderes. Einige Sekunden nach dem Startschuss bin ich bereits aus der Puste, was wohl auch an der suboptimalen Wettkampfwoche liegt. Noch bevor ich zum Schwimmen übergehen kann, werde ich von Kontrahenten überholt, die später gestartet sind. Na, das kann ja was werden. Als ich dann endlich ins Schwimmen komme, fühl ich mich dann doch okay und die Zeit vergeht schnell. Abgesehen vom Ein- und Ausstieg ist das Schwimmen recht einfach. Ein paar 90-Grad-Kurven im etwa 18 Grad kühlen Wasser und kaum Wellengang. Als ich mich wieder aufrichte, um aus dem Wasser zu laufen, sehe ich auf meiner Uhr, das bereits 31 Minuten vergangen sind und ich noch nicht mal an Land war. Nach wie vor fühle ich mich nicht fit, aber zumindest gesund. Das rufe ich mir immer wieder ins Bewusstsein. Dafür bin ich dankbar.

Der Wechsel verläuft so weit gut. Ich steig aufs Rad und beginne zu pedalieren. Der Radkurs ist an sich sehr schnell. Es ist warm und leicht bewölkt, allerdings ist es auch verdammt windig, wie auch am Tag zuvor als auf derselben Strecke die Langdistanz abgehalten wurde. Nach den ersten 10 Kilometern denke ich mir, dass ich mich vielleicht doch im Vorfeld mit den Cutoff-Zeiten auseinandersetzen müssen. Es geht zunächst schräg gegen den Wind.

Etwa nach 15 Kilometern habe ich sogar meine (bevor ich krank wurde) avisierte Durchschnittsleistung auf dem Radcomputer stehen. Es folgt die rettende Rechtskurve, die uns auf Kurs in Windrichtung führt. Die Leistung kann ich noch eine Weile halten, aber bereits nach etwa 40 Minuten Fahrtdauer fällt die Leistung auf Langdistanzniveau ab, wo sie dann auch bis zum Schluss verweilt, ohne dass die Herzfrequenz fällt. Immer mal wieder sage ich mir: Das ist leider nicht das, womit ich noch vor einer Woche, aber so viel besser als das, womit ich vor 2 Tagen gerechnet habe. Ich fühle mich zumindest gesund, bin dankbar! Nach der ersten von 2 Runden liegt der Geschwindigkeitsschnitt bei 39,3 km/h. Nun der ganze Spaß nochmal mit ein wenig weniger Gegenwind (da Start und Ziel ein paar Kilometer auseinanderlagen), aber auch etwas weniger Leistung. Ich beende das etwa 91,5 km lange Radfahren nach 2:20 h und ein paar zerquetschten. Ein Schnitt von 39,1 km/h auf einem eigentlich schnellen Kurs. Ich habe während des ganzen Rennens keinerlei Informationen über meine Positionierung oder irgendwelche Abstände im Feld. Alles was ich habe ist meine Uhr und wie immer den Willen so schnell, wie möglich ins Ziel zu kommen.

 

Anders als in der ersten Wechselzone hatte ich aufgrund meiner späten Anreise nicht mehr die Möglichkeit, mir die zweite Wechselzone im Vorfeld anzusehen. Ich bieg einmal falsch ab, verliere ein paar Sekunden, aber alles im Rahmen.  Ähnlich wie auf dem Rad lege ich diese ersten Kilometer im (ursprünglichen) Zieltempo zurück. Vielleicht kann ich ja wenigstens hier meine Leistung abrufen, aufs Laufen ist immer Verlass... leider nicht. Meine Kilometersplits pendeln sich schon sehr bald bei 3:50 min ein, weit weg von dem, was ich mir eigentlich vorgenommen hab, aber wieder: Dass ich soweit gekommen bin und mich noch gesund fühle, grenzt an ein Wunder! Obwohl ich für die erste Runde beziehungsweise die Hälfte der Laufstrecke schon 40 Minuten benötige, werde ich zumindest außer von einem Staffelläufer von niemanden überholt, ganz im Gegenteil. Nach den Bundesligarennen ein erfrischendes Gefühl, auf mal Kontrahenten einsammeln zu können, ohne sich die ganze Zeit an der Kotzgrenze zu bewegen. Nach dem 18. Laufkilometer ist mir bei leichtem Anstieg und Gegenwind ein km-Split in 4:01 rausgerutscht. Ich sage mir, dass das der einzige über 4 Minuten bleiben soll und habe nochmal um jede Sekunde auf den letzten gut 3 Kilometern gekämpft. Schließlich kann es ja immer um Sekunden gehen. Die verbleibenden 3 Kilometer lege ich noch alle unter 3:50 zurück, allerdings mit einem Schmerzgefühl, das ich sonst nur von erheblich schnelleren Tempi kenne. Auf den letzten paar Metern erspähe ich noch einen Athleten, der in meiner Altersklasse sein könnte und überhole ihn, sprinte anschließend nochmal auf der Zielgeraden und kämpfe um jede Sekunde.

 

Im Ziel sehe ich auf dem Display, dass besagter Athlet, ein Lette, tatsächlich in meiner Altersklasse ist, allerdings war er hinter mir gestartet und hatte somit eine 10 Sekunden schnellere Netto-Zeit. Ärgerlich! In diesem Moment ärgere ich mich tatsächlich mehr über diese Gegebenheit, als dass ich mich darüber freue, dass ich, angesichts der letzten Tage, doch noch so verhältnismäßig gut über die komplette Strecke gekommen bin. In diesem Moment denke ich, dass es in etwa um Platz 10 in der Altersklasse gehen dürfte. Allmählich kehrt die Dankbarkeit über meine Gesundheit und eine Leistung, die völlig in Ordnung geht, zurück. Nach dem Duschen und umziehen, schaue ich kurz in den Tracker und sehe, dass ich Zweiter bin, 10 Sekunden hinter dem Europameister unserer Altersklasse. Ironischerweise freue ich mich nun mehr als dass ich mich ärgere. Wer hätte das gedacht? Es hat für Platz 2 gereicht!

 

Letzten Endes kann ich wieder nur dankbar darüber sein, was für ein absurdes Glück ich einmal mehr hatte, dass ich zum Renntag wieder gesund war. Hätte ich mir die Magenverstimmung 2 Tage vorher zugezogen, wäre ein Start beim Bundesligafinale ausgeschlossen gewesen. 2 Tage später und ein Finish in Tallinn wäre äußerst unwahrscheinlich gewesen. Und damit kann ich die Saison dann schlussendlich zu einer Vollendung bringen, mit der ich wirklich fein bin!

 

Mittlerweile (zwischen Beginn und Ende des Schreibens dieses Artikels) habe ich (teilweise schon sehr konkrete) Pläne für die kommende Saison. Zwei Dinge stehen damit bereits fest: 1. Die Distanzen im Triathlon, auf denen ich nächstes Jahr unterwegs sein werde, werden wieder deutlich länger als dieses Jahr und 2. die Saison selber wird auch deutlich länger. Statt gut zwei Monaten werden es dann gut 5 Monate - so viel sei schonmal verraten.

 

Ergebnisliste /// Datenaufzeichnung

 

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