Von Amsterdam nach Potsdam bis hin zur Duathlon WM in Alsdorf

Wie weit würdest du gehen für ein kleines Wortspiel? Nach Pots2Poz (Potsdam > Poznań) 2024 war der nächste logische Schritt Dam2dam. Um es sportlich zu halten habe ich mir dieses vorgenommen, dieses Unterfangen in 2 Tagen über Ostern abzufrühstücken. Karfreitag habe ich für die Anreise zum Startpunkt genutzt und Ostermontag sollte der Erholung dienen. Karfreitag bin ich also gegen 22 Uhr im 6-Betten-Zimmer in Amsterdam eingetroffen. Abfahrt nach einer relativ kurzen Nacht um 6:20 Uhr. Die nächsten 65 km waren die härtesten der Tour. Für die Temperaturen habe ich auf dem Rad einfach die falsche Körperkomposition. Anfangs auch zu wenig angehabt hab ich meinen ersten Stopp, in einem Café in einem kleinen Ort im Gelderland namens Garderen, auch ein wenig früher und länger als geplant, gemacht. Danach wurd's warm, ich auch und die Kilometer flogen nur so dahin. Durch Deventer, wo ich eigentlich die erste längere Pause machen wollte habe ich nicht lange verweilt. Der zweite Stopp war dann aber wie geplant, dieses Mal bei Aldi in Freren (km 212). Pünktlich zum Sonnenuntergang war ich nach 310 km an meiner ersten und einzigen Unterkunft, im niedersächsischen Sulingen, angekommen. Einkaufen, essen, schlafen. Weiter ging's um 6 Uhr in der Dämmerung. Diesmal mit allem bekleidet, was ich dabei hatte, erstmal 93 km. Wie am ersten Tag hat mein Körper erstmal nicht wirklich funktioniert. Zwar hatte ich relativ viel an, aber der dicke Nebel, der einfach nicht verschwinden wollte, hat für erneute Unterkühlung gesorgt. Der Stopp im Kaffee war dann aber planmäßig, wenn auch deutlich länger. Ich musste wieder warm werden. 

Nun hat sich auch der Nebel verzogen und die Sonne kam raus. Es war praktisch windstill. Insgesamt hatte ich einfach sehr viel Glück mit dem Wetter! Wie an Tag 1 wandelte sich das Mindset auch jetzt wieder von "Hauptsache irgendwie ankommen" zur Motivation durch die Messwerte (Leistung, Speed und Trittfrequenz). Das sollte sich bis zum Ende der Tour auch nicht mehr ändern. Ein paar Mal musste ich auf den letzten 200 km feststellen, dass ich beim Routing der Strecke zum Ende hin nachlässig wurde. Unfahrbare Trampelpfade umfahren, über schlecht fahrbare durchgeeiert, Fährüberfahrt über die Elbe nicht auf'm Zettel gehabt. Mehr Strecke, mehr Zeit als in der Milchmädchenrechnung. In der Dämmerung kam ich in Brandenburg an, die letzten 30 km war es komplett dunkel, aber die Beine waren noch gut und der Kopf war da. Ostersonntag gegen 22 Uhr war ich fertig. Quick facts: Proviant 27 Müsliriegel, 600g Isopulver, 8 Schokobrötchen uvm. Etwa 12650 Aktivkalorien (= Energiebedarf einer kompletten trainingsfreien Woche), 0 Regentropfen, 0 Mal angehupt worden! 655 km, 22:31h, AVG: 29,2kmh, 156W, 91rpm, 117bpm. Die ganze Datenaufzeichnung findet ihr hier

 Der Ostermontag stand dann natürlich im Zeichen der Erholung, aber so viel mehr mit Erholung war es dann auch nicht, denn ich befand mich direkt in einer Rennwoche: Die Mittedistanz-Duathlon-WM im eigenen Land stand an. Um Körper und Geist darauf vorzubereiten stand am Mittwoch dann bereits eine wettkampfnahe Einheit an (20 km Renntempo auf dem Rad, gefolgt von 3 km Renntempo in den Laufschuhen), und ich hatte erstaunlich gute Beine! Noch am Vorabend musste ich ein Schwimmtraining vorzeitig beenden, weil meine Wade krampfte, allerdings beschränkte sich dieses Problem offenbar auch nur aufs Schwimmen, eine Fähigkeit, die im Duathlon glücklicherweise nicht abverlangt wird.

Somit ging es Samstag früh mit Zuversicht auf eine etwas abenteuerliche Zugreise. Schlüsselverbindung war der ICE in Berlin Spandau. Drei Mal Umsteigen war auf der Route eingeplant, teilweise etwas knapp kalkuliert, aber wird schon gut gehen. Am Morgen der Abreise erfuhr ich dann direkt, dass die eigentliche Verbindung zwischen Potsdam und Berlin, auf glaube aufgrund von Bauarbeiten, die am Vorabend in dem Ausmaß noch nicht angekündigt waren, weitläufig umfahren werden mussten. Somit ist der Reiseplan also schon direkt gescheitert bevor ich überhaupt den Bahnsteig wenige 100 Meter vor meiner Haustür betreten habe. Irgendwann habe ich es dann doch nach Berlin geschafft. Die Zugbindung war durch die Verspätung zum Glück aufgehoben, aber mit Fahrrad bis in den tiefsten Westen Deutschlands, war jetzt nicht unbedingt selbstverständlich, da man in die ICEs nur mit Reservierung von Fahrradstellplätzen kommt, die gerne mal ausgebucht sind. Glück im Unglück: Die Strecke zwischen Berlin und dem Ruhrgebiet ist recht geschäftig, es fahren mehrere ICEs pro Stunde und der nächste, den ich kriegen konnte, war nicht ganz ausgelastet. Kurz mit dem Schaffner geredet, und die Reise konnte weitergehen - Hurra! Ab nach Alsdorf im Westerwald... Moment mal. Ist mein Ziel nicht eigentlich Alsdorf in Westfalen? Klingt schon recht ähnlich. Dass ich die Reise zum falschen Alsdorf gebucht hab, habe ich dann erst gemerkt, als ich nach dem Umstieg in Dortmund eine Weile in die falsche Richtung gefahren bin. Auch hier ein wenig mit dem Schaffner geplaudert und letzten Endes dann, ohne neues Ticket, einfach das "richtige" Alsdorf angesteuert. Den letzten Umstieg habe ich mir dann gespart und bin von Herzogenrath die 5 km auf dem Rad mit einer kontrollierten Vorbelastung an einem Anstieg gefahren, das hat nochmal etwas Zeit gespart. Das Ende vom Lied war, dass ich trotz meiner Verplantheit und der anderen Umstände noch vor 16 Uhr am Ziel war.

Weil es die Startunterlagen nicht, wie es in einer Version der Ausschreibung hieß nicht bis 16 sondern nur bis 15 Uhr abzuholen war, hab ich sie dann erst am Wettkampfmorgen bekommen. War dann aber auch kein Drama. Ab hier lief dann wirklich alles unkompliziert und wie man es sich so vorstellt. Startaufstellung kurz nach halb 9, ich stelle mich in die vierte Reihe, denn ich weiß, dass gerade ein Duathlon, bei dem zunächst 10 km gelaufen werden, nicht auf dem ersten Kilometer gewonnen wird. Der Startschuss erfolgt pünktlich bei bestem Wetter um 8:40 Uhr. Wie erwarten rennen die Leuten aus der ersten Reihe los als wären wir bei einem reinen 5-Kilometer-Lauf. Auf der ersten der vier Runden (jeweils knapp 2,5 km) habe ich die anderen erstmal machen lassen und meinen Rhythmus gefunden. Mein Ziel fürs Laufen war zunächst ein Schnitt von 3:30/km für den ersten Laufsplit und den zweiten unwesentlich langsamer, am liebsten sogar schneller. Mit der Windrichtung, Kurven und ein paar leichten Anstiegen/Gefällen variierten die Kilometerzeiten ein wenig, aber pendelten sich alle bei etwa 3:27 ein. Ab Runde 2 arbeitete ich mich Stück für Stück nach vorn und konnte, nicht an der Spitze aber in guter Ausgangslage, aufs Rad steigen.

Mein Mindestziel fürs Radfahren sah vor, am Ende einen Schnitt über 40 km/h auf dem Tacho zu haben, wenn das Wetter mitspielen sollte, und es hätte kaum besser sein können. Angenehme Temperaturen, klarer Himmel, nicht allzu windig. Auch der Radkurs hatte ein paar Höhenmeter, aber nicht viele, ein paar Wendepunkte, aber keine engen. Kurz gesagt: Ein schneller Kurs - keine Ausreden. Zu Beginn des Radfahrens war ich allein unterwegs, aber nach und nach fuhren Leute auf mich auf, überholten mich und bildeten mit mir zusammen nach und nach eine Gruppe. Zwischendurch fiel meine Trittleistung etwas ab, kam den 200 W näher, aber ich beschloss Ruhe zu bewahren. Eine Erfahrung aus 2017 hat mich dies gelehrt. Damals habe ich mehrfach versucht, von einer Gruppe wegzukommen, weil ich mich über meine niedrigen Leistungswerte geärgert hab und gedacht hab, allein wesentlich schneller fahren zu können. Damals endete das in einer Zeitstrafe und völlig platten Beinen. Seitdem bin ich da ein wenig entspannter und rollte auch diesmal mit. Hier und da war es etwas unrhythmisch. Zum einen ist es nach Kurven oder wechselnder Steigung/Windrichtung schwierig, den legalen Abstand zu halten, zum anderen ist es auch einfach unmöglich, diesen exakt abzuschätzen. Das ist der kleine Nachteil der Gruppendynamik. Zum Ende der ersten von 3 Radrunden (jeweils knapp 20 km) ging es immer eine Steigung mit leichtem Gegenwind hinauf. Hier wurde in der Gruppe gedrückt und ich habe nicht die Beine oder die Aufmerksamkeit gehabt, um dran zu bleiben. Durch Überholvorgänge von hinten konnte ich irgendwann aber doch wieder ran fahren und so war ich den Großteil der zweiten Runde in einer Gruppe. Diese Runde war dann auch meine schnellste, bevor ich gegen Ende der zweiten Runde aber wieder die Gruppe nicht halten konnte und für die letzte Runde komplett allein war. Die Beine etwas geschunden durch das mehrmalige Schließen von Lücken auf den ersten Runden, versuchte in der dritten Runde meine Leistung zu halten und klammerte mich gedanklich am 40er-Schnitt fest. Mit einem Schnitt von 40,1 kmh stieg ich zufrieden, wenn auch ausgepowert, vom Rad und in die Laufschuhe.

Relativ schnell fand ich wieder meinen Rhythmus, auch wenn der zweite Laufsplit ein wenig langsamer werden sollte. Ich spulte die knapp 10 Kilometer relativ gleichmäßig mit einem Schnitt von 3:31/km ab und machte Runde für Runde ein paar Plätze gut. Was die Platzierung angeht habe ich aber längst den Überblick verloren (oder ihn nie gehabt). Zwar konnte ich ein paar Belgier und deutsche überholen, von denen ich mir recht sicher war, dass sie Teil der Radgruppe waren, die mir enteilt war, aber ob davon jemand in meiner Altersklasse war hätte ich erraten müssen (oder nach dem Überholen sehr genau auf die Startnummern schielen müssen). Zudem kam es auf dem 4-Runden-Kurs natürlich zu zahlreichen Überrundungen.

Auf der Zielgeraden war unmittelbar vor oder hinterher niemand mehr zu sehen. Kein Endspurt, ein Glück! Die Platzierung stand fest. Nach Überschreiten der Ziellinie sah ich dann bereits zwei Niederländer dort sitzen, die laut ihrer Startnummer in meiner AK sein mussten. Einige Plätze waren damit also bereits vergeben. Tatsächlich waren schon 5 WM-Teilnehmer aus meiner Altersklasse vor mir im Ziel, zudem auch noch 3 aus der Wertung der deutschen Meisterschaft. Ich ging damit ohne Medaille aus. Das Gute daran: Die Siegerehrung konnte ich guten Gewissens auslassen und stattdessen meine gebuchte Zugverbindung (naja fast, Startpunkt war ja ein anderes Alsdorf) wahrnehmen. Dass ich den Weltmeistertitel geholt hätte, wenn ich 9 Monate älter gewesen wäre, war schon ärgerlich, aber unterm Strich okay, denn letzten Endes konnte ich meine Leistung abrufen und hab erreicht, was ich mir unabhängig von der Platzierung im Vorfeld vorgenommen hab. Einen kurzen Schockmoment gab es noch, als mich die NADA zur Doping-Kontrolle gebeten hat. Es ging aber relativ schnell, so dass ich meinen Zug noch erwischt habe und am späten Abend wieder daheim war.

 

Hier findet ihr die Rennaufzeichnung

und hier die Ergebnisse

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