Prolog
Bereits lange vor dem Einstieg in die diesjährige Triathlon-Wettkampfsaison kam die Idee auf, wieder mal eine zweite Mitteldistanz in die Saison zu inkludieren. Diese sollte eher dem Spaß an der
Freude, dem Genuss und auch als Training dienen. Im Jahr 2013 suchte ich mir dafür den Seepark Triathlon in der Nähe von Uelzen aus, 2014 war es der Stäljmun in Nord Friesland. Aus der Idee wurde
dann ein Plan, als ich bei der Saisonplanung auf den Müritz-Triathlon in Waren mit 2/80/20 km gestoßen bin. Bei einem Besuch in Berlin bei Fabian, einem geschätztem ehemaligem Vereinskollegen
(zum Blogeintrag) erzählte ich davon und fragte, ob er sich ebenfalls dafür
interessieren könne, immerhin bietet es sich allein wegen der geographischen Lage an, zudem hatten wir es bis dato noch nie geschafft, beim selben Triathlon am selben Tag an der
Startlinie zu stehen. Nach einigen Tagen Überlegung willigte Fabi ein und so meldeten wir uns beide für dieses großartige Event an. So wie es dann häufig ist, stieg mit jeder Woche die Vorfreude,
und die Zielsetzung mutierte - insbesondere in den letzten Wochen vor dem Wettkampf. Ein Grund dafür war auch, dass die Veranstalter Prämien für die Plätze 1-6 der Männer (und 1-3 der Frauen)
versprachen, somit wurde aus dem Plan ein ehrgeiziges Ziel, denn klar war: Trotz des für gewöhnlich starken Starterfelds, was bei einer Mitteldistanz mit Preisgeldern nicht
verwunderlich ist, schien die Aussicht auf eine Top 6 Platzierung nicht komplett abwegig. So fand dann in den letzten Wochen eine leichte Anpassung der Trainingsschwerpunkte,
-umfänge und -intensitäten statt. Auch in der Wettkampfwoche wurde nach bestem Wissen getapert. Mit anderen Worten: Aus einer vagen Idee wurde doch mehr als ein Wettkampf mit
"Spaß-Priorität".
Der Morgen
Was mir im Vorfeld besonders gut gefiel, ist die großartige Zuganbindung von Lübeck nach Waren. Unschlagbar günstig dank Meck-Pom-Ticket und mit gut 2 Stunden Anfahrt bei einem Start um 12 Uhr mehr als bequem! Was ich dann aber wenige Tage vorher gesehen habe, war gelinde gesagt unerfreulich. Genau an diesem Wochenende wird zwischen Lübeck und Grevesmühlen gebaut, was einen Schienenersatzverkehr zur Folge hat, der keine Fahrräder transportieren darf. Nach längerer Überlegung entschied ich mich, den wahnsinnigen Umweg über Hamburg zu nehmen, was die Fahrtzeit verdoppeln sollte.
Langer Rede kurzer Sinn - der Wecker
klingelt um halb 5. Sämtliche Vorbereitungen hab ich bereits am Vorabend erledigt und so kann ich direkt 15
Minuten später die Wohnung verlassen um Richtung Zug zu radeln, der bereits kurz nach 5 abfährt. 4 Scheiben
Weißbrot, ein Buch und Musik machen mir die Fahrt schmackhaft und entspannt. In Hamburg gibt es den ersten Kaffee, schwarz, heiß und lecker. Die nächsten zwei Stunden teile ich mir ein Wagon mit
Hansa Rostock Fans - Erst zwei, dann steigen von Haltestelle zu Haltestelle immer 2-3 weitere dazu. Mit jeder Haltestelle werden die Fangesänge lauter, und der Wagon und deren Passagiere voller. Ganz so entspannt
war es dann nicht mehr, aber es gibt Schlimmeres. Um 9 Uhr - bereits im nächsten Zug (seeehr viel entspannter) - nehme ich als "Hauptfrühstück" die üblichen drei Stunden vor dem Startschuss meinen Haferbrei zu mir
(frisch gekocht deutlich schmackhafter, aber auch so okay).
Alles verläuft so weit nach Plan. Kurz vor 10 am Warener Bahnhof treffe ich Fabi und wir machen uns gemeinsam auf zum Ort
des Geschehens. Kurz nach unserer Ankunft erfahren wir auch, dass kein geringerer als Andreas Raelert bei diesem Wettkampf starten wird. Wer das hier liest, weiß vermutlich wer das ist.
Falls nicht: Zweifelsohne einer der deutschen Triathlonprofis der letzten 10-15 Jahre und Inhaber der Weltbestzeit über die Langdistanz. Ansonsten stellt sich die übliche
Vorwettkampfroutine ein - Ankommen, Startunterlagen abholen, Einchecken, Wechselzone inspizieren (diesmal war genug Zeit vorhanden), Wechselbereich herrichten, Neo an, auf zur
Wettkampfbesprechung. Wir sind bereit!
Das Schwimmen
Beim Blick auf die Müritz kommt bereits Unbehagen auf. Es ist am Wettkampftag sehr windig und ruhiges Gewässer
sieht eindeutig anders aus! Fabis Kommentar: "Das ist halt kein Freibad" - Wie recht du hast. Beim Einschwimmen, welches äußerst kurz ausfällt, da die Wettkampfbesprechung erst 15 Minuten vor dem
Start beginnt, ändere ich meine Zielsetzung etwas ab. Der Wunsch, die 2 Kilometer in dem ca. 20°C warmen und angenehm klaren (an sich gute Bedingungen) aber sehr welligen Gewässer unter
30 Minuten zu schwimmen, weicht dem Ziel "irgendwie" durchzukommen ohne zu ertrinken. Unmittelbar, bevor wir wieder an der Startlinie stehen (Landstart), kommt das Signal "Der
Startschuss erfolgt in 15 Sekunden". Ich positioniere mich eher außen, sofort fällt der Startschuss und wir und die anderen 133 Starter rennen in die Fluten. Der Einstieg ist recht flach, so dass
der Beginn viel über Delphinsprünge geht. Alles nicht so ganz einfach, aber irgendwie funktioniert's und kurze Zeit später befinden sich alle Starter in der waagerechten und kraulen was das Zeug
hält.
Im folgenden muss ich mich in erster Linie darauf konzentrieren, nicht die halbe Müritz auszutrinken, einzuatmen und wieder auszuhusten. Auf eine saubere Zug- und Abdruckphase, geschweige
denn effiziente Wasserlage zu achten wird zur absoluten Nebensächlichkeit, was sich auch in meiner Schwimmzeit widerspiegeln sollte. Ich schwimme in sämtliche Richtungen, nach oben, nach
unten, nach links nach rechts - manchmal vielleicht auch geradeaus. Glücklicherweise sehe ich in dem klaren Wasser hin und wieder die Füße der Vordermänner, anschließend kommt eine Welle, der
Kopf klatscht wieder aufs Wasser und die Füße der Mitstreiter waren links und rechts neben mir oder komplett aus der Sicht. Orientierung kann schon eine Herkulesaufgabe sein. Zu wissen, dass man
halbwegs in die richtige Richtung schwimmt wäre schön gewesen, der bloße Glaube daran muss an diesem Tag reichen. Nach einem Kilometer - soll heißen: Es wäre einer gewesen, wenn man
Ideallinie geschwommen wäre - erfolgt ein kurzer Landgang bei dem ich 4 Athleten vor mir kurzzeitig überholen kann. Da meine Uhr sich unter dem Neo befindet, kann ich leider nicht die "Halbzeit"
checken. Wie sich aber hinterher herausstellt, bin ich die beiden Hälften zumindest in etwa gleich schnell geschwommen. Irgendwie überlebe ich dann auch völlig fertig die zweite
Schwimmrunde. Abschließend mit einem Dutzend Delphinsprüngen, bei denen meine Waden mit jedem Sprung etwas mehr krampfen, entfliehe ich dem kühlen Nass. Dafür verläuft der erste
Wechsel absolut problemlos und ich kann sehr schnell aufs Rad steigen. Zu diesem Zeitpunkt noch völlig unwissend, an welcher Position ich mich befinde.
Das Radfahren
Der laut Ausschreibung 80 Kilometer lange Radkurs führt als Wendepunktstrecke 20 Kilometer Richtung Norden, wieder zurück
und das Ganze 2 Mal. Da wir im Vorfeld täglich das Wetter checkten, wissen wir, dass der Weg hinaus mit Rückenwind gefahren wird, zurück dementsprechend gegen den Wind. Mein Ziel war es 240 Watt
Durchschnittsleistung (AP) bei einer Trittfrequenz von ca. 95 upm und einem Durchschnittspuls von 160 bpm zu fahren und das so gleichmäßig wie möglich.
Bei den Windverhältnissen war es nicht allzu verwunderlich, dass ich die ersten 20 Kilometer in 27:50 min bzw. 43.1 km/h (ca. ein Dutzend Fahrer vermutlich noch schneller) hinter mich
bringe. Meinem konkret quantifiziertem Ziel kann ich bis hier auch noch folgen. Bereits kurz nach dem Beginn des Radfahrens überholt mich Stephan (ich kenne ihn zwar nicht, aber auf den
Startnummern stehen die Vornamen der entsprechenden Teilnehmer). Ich beschließe, mich "an sein Hinterrad zu hängen" - natürlich stets im Abstand von ca. 20-40 Metern, denn wie immer war
Windschattenfahren untersagt. Dieses Folgen halte ich erstmal für eine gute Idee, da es auch mit den Leistungswerten, die ich mir vorgenommen habe, recht konform ist.
Dank der Streckengegebenheit kann jeder Teilnehmer ganz einfach abzählen, an welcher Position er liegt. Als erstes kommt mir 3 Kilometer vor der ersten Wende, nicht überraschend bereits mit einem
großen Vorsprung vor dem Zweitplatzierten, Raelert entgegen. Als zweiter dann schon Matthias Dietze, der das Rennen in der Vergangenheit bereits mehrmals gewinnen konnte. Dann der dritte, vierte,
fünfte, die Sechs war dank sensationeller Schwimmleistung Fabi, sieben, acht... Bis 18 muss ich zählen, bevor auch ich in Demzin wenden darf. Kurz nach der Wende muss ich dann aber leider
feststellen, dass sich meine Oberschenkel nach 50 Kilometern Radfahren anfühlen - allerdings sind jetzt erst 20 Kilometer geschafft. Stephan fährt mir nun auch weg. Egal - Kopf runter und die
Watt-Anzeige böse genug angucken, dass sie nicht unter 200 sinkt. Das scheint halbwegs zu klappen. Nachdem ich in der Folge 3 Athleten überholen konnte, zähle ich vor der Wende in Waren
"nur" noch bis 15. Bei der dritten Wende 1, 2, 3, ... 14. Zählen ist eine willkommene Nebenbeschäftigung, wenn man das Gefühl hat, dass die Beine gleich auseinander fallen. Kurze Zeit später
überhole ich 2 Athleten im Doppelpack. Ein Moment, der einem wie Weihnachten vorkommt, wenn man bedenkt, wie sehr man auf so einer Distanz für jeden einzelnen Platz ackern muss!
Dabei bleibt es dann auch. Ich erreiche das zweite Mal die Wechselzone (kurz vor der zu diesem Zeitpunkt ersten Frau, die mich auf dem letzten Stück sogar wie aus dem Nichts kurzzeitig überholte)
an Position 13. Dass ich mich nicht verzählt hab, wird mir dann durch die Ansage des Moderators bestätigt. "Jan Stelzner vom Tri-Sport Lübeck an Position 13. Er hat den ersten Wechsel
sehr schnell absolviert - die fünftschnellste Wechselzeit, mal sehen, ob der zweite Wechsel auch so schnell abläuft". Hab ich mich da gerade verhört?! Wie oft wurde ich
schon wegen meiner langsamen und orientierungslosen Wechsel im Triathlon gehänselt? Sonst immer mit den schwächsten Wechselzeiten unterwegs kann ich mein Glück kaum fassen! Dass ich in der
Euphorie meine Socken kaum an bekomme (T2 war dann nur die 40. schnellste Zeit unter allen Teilnehmern), verhagelt mir nun auch nicht mehr die Laune. Und weiter geht's - Laufen, zählen, kämpfen,
hoffen!
Das Laufen
Auch was den abschließenden 20 km langen Lauf angeht, hatte ich mir wieder ein konkretes Ziel gesetzt: 3:50 min/km. Die ersten 3 Kilometer beginnen mit dem klassischen
Anfängerfehler. Anstatt direkt mit dem Zieltempo loszulaufen - und jeder Triathlet weiß, gerade bei dieser Distanz muss man sich förmlich dazu zwingen, nicht zu schnell los zu rennen, laufe ich
die ersten Kilometer in 3:35, 3:43, 3:46. Ein Tempo, dass sich eigentlich gut anfühlt, aber nach knapp 80 km hartem Radfahren (es waren nebenbei gesagt zum Glück am Ende doch nur 76.15 km) kostet
so ein Patzer eine ganze Menge Körner, bevor man dann sein Tempo findet. Aber so ist das halt: Der Kopf schlaumeiert "Spare Kraft in der Zeit bla bla..." und die Beine brüllen "Was man hat,
das hat man!". Die ersten 10 Kilometer absolviere ich in ziemlich genau 38 Minuten, das richtige Tempo hat sich demnach dann doch recht schnell nach dem ersten Kilometer eingestellt.
Da die Laufstrecke auch wieder aus 2 Wendepunktrunden besteht, hat man wieder 3 Mal die Gelegenheit, zu zählen. Herr Raelert kam mir schon recht früh wieder entgegen, dahinter Dietze, der dritte,
der vierte... und früher als erwartet bereits Fabi. Hat er Plätze gut gemacht? Meine immernoch intakten Rechenkünste verraten mir, nachdem ich auf den ersten 5 km bereits einen Mitstreiter
überholen konnte, musste ich auf Position 12 liegen und damit bis 11 zählen. Allerdings hatte ich nur bis 9 gezählt, bevor ich wieder umdrehen durfte. Und (wenn ich das gerade richtig
reproduziere) war die 9 Fabi, auf den ich kurz danach auflaufen kann. Wie es aussah und sich später herausstellte, sind 2 Leute bereits ausgestiegen. Nach ein paar aufmunternden Worten
(Fabi: "Der sechste ist nicht weit weg!") setze ich meine Mission fort, ergattere Position 8, dann 7 und zähle vor der zweiten Wende nur noch bis sechs. Ist die sechs näher gekommen? Schwer zu
sagen, da ich nicht genau weiß, wie weit es noch bis zur Wende ist. Gefühlt ist es ein Lichtjahr. Somit verliere ich schon fast den Mut und finde mich damit ab, es nicht unter die ersten 6
zu schaffen...
Die letzten 10 Kilometer stehen an und... O je... es geht mir gar nicht mehr gut. An jeder Getränkestation versorge ich mich mit Wasser und zwinge mich, dabei durchzulaufen. Alle paar
Minuten Selbstgespräche: "Der sechste leidet bestimmt... Achte auf deinen Laufstil... Drück Dich ordentlich vom Boden ab... Halt den Oberkörper gerade... Hör nicht auf zu hoffen... Versuche es
wenigstens... Den anderen geht's auch nicht besser... Im Training fühlen sich die 3:50er locker an... Einer vor Dir bricht vielleicht noch ein...". So laufe ich dann so gut es irgendwie geht
weiter und versuche jeden Kilometer stehts wenigstens unter 4 Minuten zu bleiben - das gelingt meistens, aber nicht immer.
Vor der letzten Wende das letzte Mal zur Kontrolle zählen: Hallo Andy... 2... 3, 4 (da erfolgt gerade ein Positionswechsel)... 5... 6... 6... 6... 200 Meter später die Wende. Es war bis auf
paar Überrundete niemand mehr zwischen uns dafür 400 Meter Wegstrecke mit 5 km bis zum Ziel. Ab jetzt kein Zählen mehr - nur noch Konzentration - Konzentration darauf, einen Fuß vor den
anderen zu setzen und das so sauber und schnell wie möglich. Und so geschieht es - und zwar erst einen Kilometer vorm Ziel: #6 - sein Name lautet Valentin - läuft nur noch 50 Meter vor mir, dreht
sich im Laufen zu mir um und signalisiert mir für mich völlig unverhofft mit einem Daumen-hoch, dass er sich geschlagen gibt. Etwas später laufe ich auf ihn auf und wir klatschen ab. "Gut
gelaufen", waren seine Worte, glaube ich. Große Achtung vor diesem fairen Sportsmann! Den zwanzigsten Kilometer laufe ich in 3:49 und erreiche kurz darauf das Ziel. Dort verkündet der Moderator,
dass ich an Position 6 das Ziel erreicht habe. Ich kann mein Glück kaum fassen!!
Epilog
Fabi kommt ein paar Minuten später mit einer großartigen Tagesleistung als 11. ins Ziel. Besonders hervorzuheben ist seine Schwimmleistung. Mit einer 30-Minuten-Zeit kam er als 9. aus dem Wasser
- Mir ist völlig schleierhaft, wie das bei dem Wellengang möglich war. Mein Schwimmen hingegen - naja, ich hab's überlebt ; ). Am Radeln ist nach wie vor eine Menge Verbesserungsbedarf. Es tat
aber auch gut, trotzdem Plätze auf dem Rad gut gemacht zu haben - auch wenn ich mir die Ziele falsch gesetzt hab, meine Radbeine an dem Tag nicht allzu gut waren oder die Leistungsmessung völlig
daneben lag. Beim Laufen freu ich mich über den schnellsten Laufsplit hinter Andy Raelert. Es steckte wirklich mehr mentale Arbeit, an der auch Fabi durch seine motivierenden Worte während des
Rennens mitgewirkt hat, als physische Arbeit dahinter. Vielen Dank, Fabi! Als kleines Extra-Bonbon, auch wenn Zielzeiten im Triathlon nicht mehr als Schall und Rauch sind, ist es schön ein
Mitteldistanzfinish unter 4 Stunden geschafft zu haben. Ich bin überglücklich!
Kommentar schreiben